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Ein leidenschaftliches Plädoyer für Europa - Bürgermeister Dr. Marc Schrameyer referiert beim Männerfrühstück

Die „Männerarbeit“ im Institut für Kirche und Gesellschaft der Evangelischen Kirche von Westfalen hatte im April zum 16. Mal nach Ibbenbüren zum „Männerfrühstück“ eingeladen. Über 60 Teilnehmer waren in ökumenischer Verbundenheit in das Gemeindezentrum „blick.punkt“ der evangelischen Kirchengemeinde gekommen.

Pfarrer i. R. Reinhard Paul stimmte mit dem geistlichen Impuls auf das Thema „Warum brauchen wir die Europäische Union?“ ein. Er erzählte vom Weg des Apostels Paulus auf der „Balkanroute“. Eines Nachts träumte dieser in der türkischen Hafenstadt Troas von einem Mazedonier, der ihn bittet, herüber - nach Europa - zu kommen und ihm zu helfen.

In der Apostelgeschichte setzt Paulus mit weiteren Männern nach Mazedonien über, um dort das Evangelium zu verbreiten. Reinhard Paul berichtete weiter von Paulus und Silas, die Menschen von der Barmherzigkeit Gottes und der integrativen Kraft des christlichen Glaubens überzeugten. Doch heute geschehe genau das Gegenteil: auf der türkischen Seite stehen verzweifelte Menschen, die uns um Hilfe bitten, damit sie nicht in den Fluten der Ägäis ertrinken. Doch was sie erleben, seien Mauern, geschlossene Grenzen und unüberwindbare Hürden, betonte Reinhard Paul. Christliche Nächstenliebe leisten hingegen die Ehrenamtlichen der Initiative „Den Kindern von Tschernobyl“, die seit 27 Jahren Kinder aus dem Gebiet um das 1986 explodierte Kernkraftwerk zur Erholung ins Tecklenburger Land holen. Uwe Hartmeier, ehemaliger Leiter der Männerarbeit, knüpfte daran an und warb für ein Benefizkonzert zugunsten des weißrussischen Kinderzentrums „Nadeshda“ am 15. Mai in der Stadthalle Rheine.

Kurt Tucholsky veröffentlichte 1932 unter dem Pseudonym Theobald Tiger das Gedicht „Europa“. Darin beschrieb er ein von wirtschaftlichem Egoismus und nationalistischen Träumen gekennzeichnetes Bild eines „bunt angestrichenen Irrenhauses“. Siegfried Grau trug die Verse vor und leitete damit zu den Ausführungen Dr. Marc Schrameyers über. Der Bürgermeister von Ibbenbüren hielt ein leidenschaftliches Plädoyer für Europa, das er mit einer Vielzahl interessanter Fakten untermauerte. Mit aussagekräftigen Tabellen, Diagrammen und Beispielen schuf er Klarheit über Vorurteile und Halbwahrheiten, die mitunter den Blick auf die Realität vernebeln.Der EU-Binnenmarkt ist der stärkste Wirtschaftsraum weltweit und bringt zahlreichen Menschen Vorteile. Reisefreiheit, Bildungsprogramme, Arbeitnehmer-Freizügigkeit, Warenverkehr ohne Zollschranken, Wohlstand, Geldwertstabilität, Verbraucherschutz oder Rechtssicherheit gehören zu guten Gründen, auf die Einheit Europas zu bauen. Auch Ibbenbüren profitiert von EU-Förderprogrammen, unter anderem aktuell im Kohlekonversionsprozess. Fünf Städtepartnerschaften verankern den Gedanken der Völkerverständigung in Herzen und Köpfen der Bürger. Die wichtigste Errungenschaft sind jedoch 74 Jahre Frieden nach Jahrhunderten blutiger Kriege. Konrad Adenauer hatte schon 1954 festgestellt: „Die Einheit Europas war ein Traum von wenigen. Sie wurde eine Hoffnung von vielen. Sie ist heute eine Notwendigkeit für uns alle.“ Deshalb forderte Dr. Schrameyer die Zuhörer auf, am 26. Mai zur Europawahl zu gehen.

Nach dem Vortrag des Bürgermeisters wurden in der Diskussion unter anderem mögliche Konflikte mit Russland durch die Osterweiterung angesprochen oder der Status von Europa als Wertegemeinschaft. Die Idee einer gemeinsamen Verfassung für „Vereinigte Staaten von Europa“ scheitere derzeit am Widerstand einiger Länder, die ihre Nationalstaatlichkeit in Gefahr sähen, so Dr. Schrameyer. Vereinfachungen und Lügen, wie von einigen Politikern praktiziert, seien jedoch keine Lösung. Das Thema sei komplex wie „Turnen am Hochreck“. Natürlich gehörte zum Männerfrühstück auch ein reichhaltiges Frühstücksbuffet, das diesmal wieder einige Frauen aus der Gemeinde liebevoll vorbereitet hatten. Ein Gedicht des Rheinenser Autors Otto Pötter über die „Festung Europa“ beendete den interessanten Vormittag mit Nahrung für Körper und Verstand.

Text: Brigitte Striehn

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