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Gedanken zum Sonntag Judika

Superintendent André Ost legt den Predigttext zu Hebräer 13,12-14 für den Sonntag Judika am 29. März 2020 aus. Angesichts der gegenwärtigen Corona-Krise merken wir: Wir hatten es uns bequem gemacht in unserer freien und wohlhabenden Welt. Auf einmal sehen wir alles in Frage gestellt. Der Blick auf den Christus der Passionszeit verrät uns, dass das Leben niemals ein Bleiben ist, sondern immer in Bewegung und ausgerichtet auf ein Ziel: „Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“

Jesus hat, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor.

So lasst uns nun zu ihm hinausgehen vor das Lager und seine Schmach tragen.

Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.

(Hebräer 13,12-14)

 

Wenn ihr nicht zu uns kommen könnt, dann kommen wir zu euch!

Unter diesem Motto versuchen in diesen Tagen der Corona-Krise viele auf sich aufmerksam zu machen und ihre Dienste anzubieten.

Am vergangenen Sonntag fanden sich unter der Überschrift „#wirbleibenzuhause“ eine Reihe namhafter deutscher Popmusiker zusammen und übertrugen halbstündige Konzerte aus ihrem eigenen Wohnzimmer. Bis zu 60.000 Zuhörerinnen und Zuhörer waren über Instagram live dabei. Auch andere Künstler erfreuen in der auftragslosen Zeit mit ihren Darbietungen die Internetgemeinde und zeigen damit: Wir sind noch da, wir lassen uns nicht unterkriegen.

Geschäfte bieten ihre Dienstleistungen über Internet und Lieferservice an, damit sie in der dürren Wirtschaftslage überleben können.

Und auch die Kirche ist in Zeiten der öffentlichen Veranstaltungsverbote im Netz aktiv. Manche Gemeinden werden in diesen Tagen enorm kreativ und versorgen ihre Gemeindeglieder mit Predigten, Meditationen und Andachtsformen in traditionell schriftlicher, verstärkt aber auch in akustischer und visualisierter Form, zum Beispiel über Videoclips, die sie bei Youtube oder Facebook einstellen.

Jede Krise ist auch eine Chance, sagt man gerne. Jonas Bedford-Strohm, der Sohn des EKD-Ratsvorsitzenden, ist Theologe und arbeitet beim Bayrischen Rundfunk. Er meint: „Ich sehe diese Krise als Riesenchance für die Kirche zu zeigen, aus welchem Holz sie geschnitzt ist. Zukunftsfähige Organisationen lernen aus jeder Krise. Ich hoffe, die Kirche ist so eine.“

Nun wird es aber in dieser Corona-Krise nicht in erster Linie darauf ankommen, dass wir sie in selbstbespiegelnder Weise nur zur eigenen Optimierung nutzen. Das mag ein nützlicher Nebeneffekt sein. Aber das ist nicht der Auftrag, den Kirche in diesen Tagen hat. Der liegt nach wie vor in dem, was sie den Menschen an Inhalt zu geben hat.

Kirche ist für die Menschen da. Weniger für diejenigen, die jetzt vielleicht in sozialromantischer Weise meinen, sich in Zeiten von Corona mal heilsam entschleunigen zu können. Sondern vielmehr für diejenigen, die unter diesen Tagen wirklich leiden. Von denen gibt es wahrlich genug. Denen zu helfen und einen Trost oder eine Anregung zu geben, macht Sinn.

Die Passionszeit verbindet uns mit der Leidensgeschichte Jesu. Das ist mittlerweile - geben wir es zu - eher ein Spezialthema für wenige geworden. Man lässt es gerne Ostern werden, aber ohne den mühsamen Anfahrtsweg über die sieben Wochen bis dorthin. Die Passionsandachten wären in diesen Tagen auch nicht besser besucht, wenn die Kirchen geöffnet wären und wir dazu einladen könnten.

Aber jetzt ist ja irgendwie alles anders. Jetzt hätten wir die Chance, die Leidensgeschichte noch mal ganz neu zu hören und auf uns selbst zu beziehen.

Jesus hat gelitten draußen vor dem Tor

Der Hebräerbrief erinnert an das Leiden des Gottessohnes Jesus. An seinen Weg ans Kreuz. Schmachvoll war sein Sterben. Verbrecher wurden vor den Toren der Stadt hingerichtet. Als verflucht galt, wer am Kreuz hing.

Draußen vor dem Tor – das ist ein Symbol für Ausgestoßensein, für ein Nichtdazugehören, für Isolation.

Draußen vor dem Tor, so fühlen sich in diesen Tagen viele.

Nicht nur, weil das gewohnte Leben einfach nicht mehr stattfindet. Weil es keine Veranstaltungen gibt, auf die man sich freuen kann. Weil keine Gelegenheiten da sind, um sich zu treffen, einkaufen oder essen zu gehen.

Draußen vor dem Tor sehen sich vor allem diejenigen, denen die Corona-Krise wirklich persönlich nahe rückt: Die betroffen sind durch einen Krankheitsfall in der eigenen Familie. Die sich in Quarantäne befinden und auf fremde Hilfe angewiesen sind, weil sie das Haus nicht mehr verlassen dürfen. Die in den Krankenhäusern und Altenheimen vergeblich auf Besuch warten, weil die Angst vor Ansteckung jeden Zugang von außen untersagt. Die einen verstorbenen Angehörigen beweinen und ihre Trauer nicht angemessen mit anderen teilen können, weil gegenwärtig nur noch Trauerfeiern auf Abstand und im engsten Familienkreis erlaubt sind.

Draußen vor dem Tor fühlen sich nicht zuletzt diejenigen, die sich große Sorgen um ihre berufliche Existenz machen. Die sich ernsthaft fragen, wie lange unsere Wirtschaft diesen großen „Shutdown“ verkraftet. Die selber zur Kurzarbeit gezwungen sind und nicht wissen, wie lange ihr Betrieb das wirtschaftlich aushält.

Lasst uns zu ihm hinausgehen und seine Schmach tragen          

Die Logik des christlichen Glaubens besteht darin, dass das Leiden Christi nicht sinnlos war. Als Gekreuzigter und ums Leben Gekommener ist der Gottessohn Jesus nicht gescheitert. Vom guten Ende der Passionsgeschichte her wissen wir um das Licht von Ostern, das Geschenk der Auferstehung. Das Leben Jesu endet nicht im Dunkel des Todes. Es wird auferweckt zu neuem Leben.

Von daher ahnen wir, dass alles Leiden dieser Welt nicht endgültig ist. Jesus ist der erste, der gestorben und auferstanden ist. Das ist der Weg, den Gott uns vorgezeichnet hat. In der Nachfolge Jesu gehen wir mutig hinterher. Und brauchen uns nicht mehr zu fürchten. Und lassen uns nicht irre machen, von nichts und niemandem. Wir wissen doch, wo es hingeht.

Das „draußen vor dem Tor“ ist kein Ort der Gottesferne. Gott hat in Jesus diesen Raum durchmessen. Für jeden, der in Angst gerät um sein Leben, seine Liebsten, seine Existenz, kann das ein Trostgedanke sein, auch wenn es das persönliche Leiden nicht ungeschehen macht.

Im Glauben sind wir hingewiesen auf die Orte, an denen Menschen ähnlich wie Jesus „draußen“ sind: In Krankheit, in Einsamkeit, in Sorge, in Trauer und in materieller Not. An diesen Orten gilt es zu sein und unterstützend zu wirken.

Sie finden sich nicht nur in den Zeiten von Corona. Auch nicht nur in unserem Land. Diese Orte finden sich dieser Tage - auch wenn uns der Blick darauf momentan etwas verloren gegangen ist - immer noch in überfüllten Flüchtlingslagern auf Lesbos und in den Kriegsgebieten in Syrien.

Wir haben hier keine bleibende Stadt   

Haben wir das eigentlich noch gewusst? Haben wir das noch ernst genommen? Dass wir bei allem Bemühen, unser Leben möglichst bequem und wohlig einzurichten, es doch niemals in Besitz nehmen können? Dass wir hier nur auf der Durchreise sind? In Höchstgeschwindigkeit die Jahrzehnte unseres Lebens durchziehend und irgendwann gezwungen, wieder gehen zu müssen - möglichst ohne für unsere Nachwelt allzu viel Schaden angerichtet zu haben?

Haben wir es beherzigt, dass das Leben ein Geschenk ist und kein Eigentum?

Im vergangenen Jahr hat das Engagement der jungen Generation für den Klimaschutz viele bereits sehr nachdenklich gemacht, ebenso wie die Erkenntnisse aus der Wissenschaft. Wir bekamen ein Bewusstsein für die Grenzen des Wachstums und die Endlichkeit der Dinge. Das hat in der Folge einige sinnvolle Weichenstellungen für eine nachhaltigere Lebensweise hervorgebracht.

Nun wirft uns ein Virus aus der Bahn und bringt die ganze Welt zum Stillstand.

Eine Pfarrkollegin schrieb dieser Tage: Dass dieses mikroskopisch kleine ‚Krönchen‘ -ein Virus, das nach menschlicher Klassifizierung nicht mal zu den Lebewesen gezählt wird, intuitiv aber doch sehr treffend ‚Corona‘ getauft wurde -, dass dieses winzige Geschöpf dazu in der Lage ist, die selbsternannte ‚Krone der Schöpfung‘, die sich doch ein Anthropozän lang anmaßte, die Schöpfung zu beherrschen, binnen weniger Tage so völlig auszubremsen und in ihre Schranken zu weisen … das ist eine Ironie der Schöpfung.“

Ob uns das in irgendeiner Weise zu denken gibt? Ob wir daraus etwas lernen können für unseren Umgang mit dem gottgeschenkten Leben, mit der uns umgebenden Schöpfung, mit den uns anvertrauten Menschen, mit uns selbst? Oder warten wir nur auf den Tag, an dem der Spuk endlich wieder vorbei ist und wir in gewohnter Weise an allen Fronten wieder Gas geben können?

Damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut      

Wenn ihr nicht zu uns kommen könnt, dann kommen wir zu euch!

Das ist in der Tat der Dienst, den wir einander schuldig sind in der „Gemeinschaft der Heiligen“. In der Glaubensgemeinschaft derer, die diesem Jesus Christus vertrauen, der sein Leben verlor, um es für uns alle zu gewinnen. Dessen Blut „für uns vergossen“ wurde, damit wir Stärke, Mut und Zuversicht haben für alles, was da kommt in diesem Leben und besonders an seinen Rändern und an den Orten „draußen vor dem Tor“.

„Geheiligt“ sind wir dann, wenn wir nicht nur unser eigenes Wohl im Auge haben. Wenn wir nicht nur damit beschäftigt sind, uns selbst zu schützen und uns zurückzuziehen auf die scheinbar sicheren Orte. Sondern wenn wir innerlich und äußerlich in Bewegung bleiben. Ausgerichtet auf das Ziel, das vor uns liegt: die zukünftige Stadt, das „neue Jerusalem“.

„Geheiligt“ sind wir vor allem, wenn wir von der Liebe leben, die das Leiden und das Sterben des Christus uns begreiflich macht. Und wenn wir diese Liebe zurück- und weitergeben. Sie ist stärker als der Tod.

„Wir vergessen, dass das Wichtigste nicht Glück und das Höchste nicht das Leben ist“, sagte neulich Gerhard Begrich, ostdeutscher Theologe und mit 73 Jahren heute selbst zur sog. Risikogruppe zählend. „Das Schlimmste ist auch nicht der Tod. Das Höchste ist die Liebe und das Schlimmste die Einsamkeit.“

Der Liebe mit Fantasie Ausdruck zu geben und die Einsamkeit mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen ist in diesen Krisentagen wohl alle Mühe wert.    

 

Wochenlied EG 97: Holz auf Jesu Schulter

1. Holz auf Jesu Schulter, von der Welt verflucht,

ward zum Baum des Lebens und bringt gute Frucht.

Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.

Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.

 

2. Wollen wir Gott bitten, dass auf unsrer Fahrt

Friede unsre Herzen und die Welt bewahrt.

Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.

Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.

 

3. Denn die Erde klagt uns an bei Tag und Nacht.

Doch der Himmel sagt uns: Alles ist vollbracht!

Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.

Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.

 

4. Wollen wir Gott loben, leben aus dem Licht.

Streng ist seine Güte, gnädig sein Gericht.

Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.

Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.

 

5. Denn die Erde jagt uns auf den Abgrund zu.

Doch der Himmel fragt uns: Warum zweifelst du?

Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.

Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.

 

6. Hart auf deiner Schulter lag das Kreuz, o Herr,

ward zum Baum des Lebens, ist von Früchten schwer.

Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn.

Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.

Text: Jürgen Henkys (1975) 1977 nach dem niederländischen »Met de boom des levens« von Willem Barnard 1963

 

Wir beten mit der ganzen Christenheit auf Erden: 

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute,
und vergib uns unsre Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich
und die Kraft
und die Herrlichkeit
in Ewigkeit.
Amen.

 

Hier finden Sie die Gedanken zum Sonntag Lätare, 22. März 2020:

https://www.kirchenkreis-tecklenburg.de/aktuelles/detailansicht/news/gedanken-zum-sonntag-laetare-1/?tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&cHash=92d4560eb7274b298b4fda800ed1c42e

 

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