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Gedanken zum Sonntag Lätare

Superintendent André Ost legt den Predigttext zu Jesaja 66,10-14 zum Sonntag Lätare am 22. März 2020 aus, der in aufwühlender Zeit einen stärkenden Trost bereithält: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“

Freuet euch mit Jerusalem und seid fröhlich über die Stadt, alle, die ihr sie lieb habt! Freuet euch mit ihr, alle, die ihr über sie traurig gewesen seid.

Denn nun dürft ihr saugen und euch satt trinken an den Brüsten ihres Trostes; denn nun dürft ihr reichlich trinken und euch erfreuen an ihrer vollen Mutterbrust.

Denn so spricht der HERR: Siehe, ich breite aus bei ihr den Frieden wie einen Strom und den Reichtum der Völker wie einen überströmenden Bach. Da werdet ihr saugen, auf dem Arm wird man euch tragen und auf den Knien euch liebkosen.

Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet; ja, ihr sollt an Jerusalem getröstet werden.

Ihr werdet's sehen und euer Herz wird sich freuen, und euer Gebein soll grünen wie Gras. Dann wird man erkennen die Hand des HERRN an seinen Knechten und den Zorn an seinen Feinden.

(Jesaja 66, 10-14)

 

„Deutschland schließt die Grenzen“.

Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch einmal eine solche Schlagzeile lesen muss. In einer Welt der globalisierten Märkte und der allgemeinen Reisefreiheit schien uns das kaum noch vorstellbar. Doch Anfang der Woche war es so weit: Nicht nur die Schulen und Kindergärten wurden geschlossen. Plötzlich war es auch mit der gewohnten Bewegungsfreiheit vorbei.

Der Grund dafür ist ein unsichtbarer Feind, der das Leben von Zigtausenden Menschen in unserem Land bedroht. Ein Virus, gegen das es bislang kein Mittel gibt. Die Reaktionen darauf sind so unterschiedlich wie es menschliche Charaktere gibt: Da sind die Verharmloser und Beschwichtiger, die all die Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung für übertrieben halten oder sogar bewusst missachten. Dann die Ängstlichen und Panischen, die ihre Unsicherheit in sinnlose Hamsterkäufe lenken. Die ernsthaft Besorgten, die die Gefahr erkennen und sich fürchten vor den Konsequenzen einer aus den Fugen geratenden Gesellschaft. Die Abgeklärten, die sich zur Gelassenheit zwingen, solange sie die Pandemie nicht am eigenen Leibe oder im engeren Umfeld betrifft. Und schließlich die Hyperaktiven, die jetzt in allerlei Aktivitäten ausbrechen, weil sie die Leere, die durch den Verzicht auf den gewohnten Konsum oder den vollen Terminkalender nur schwer aushalten.  

Plötzlich sehen wir uns in allen Dingen reduziert: Es sind nur noch die Läden für den täglichen Bedarf geöffnet. Wir sollen möglichst zuhause bleiben und unsere sozialen Kontakte herunterfahren. Das allgemeine Veranstaltungsverbot trifft besonders die Kirchen. Die Gemeindehäuser bleiben geschlossen, alle Gruppen und Kreise haben Pause.

Keine Gottesdienste mehr. Keine Konzerte. Keine Gelegenheit mehr zur Erfahrung von Gemeinschaft, die doch eigentlich der Kern von kirchlichem Leben ist.

Und das ausgerechnet in dieser Zeit: Wir gehen auf Ostern zu, das Hauptfest der Christenheit!

Wir buchstabieren in diesem Jahr die Passionszeit ganz neu durch. Wir werden gezwungen zur kargen Reduzierung. Es ist Wüstenzeit, Durststreckenzeit.

 

Der Sonntag Lätare, der 4. Sonntag in der Passionszeit, ist eigentlich der Freudensonntag in der Passionszeit. Ein Schein vom Osterlicht fällt schon herein. Freude und Trost sind die Grundmotive.

Freude, ausgerechnet jetzt. Wo uns doch gar nicht danach zumute ist. Wo uns die Sorge um die Gesundheit, die Wirtschaftslage und die eigene Zukunft viel stärker umtreibt, als wir uns das vor ein paar Wochen noch haben vorstellen können.

Aber Trost, den können wir gut gebrauchen.

Der Predigttext für den Sonntag Lätare entfaltet ein großes wunderbares Trostgemälde: Freut euch, die ihr traurig gewesen seid. Denn ihr dürft euch geborgen fühlen wie ein kleines Kind in den Armen seiner Mutter. So wie es gestillt wird und satt werden kann und ganz im Frieden ist, weil es Ruhe, Zuwendung, Hilfe, Liebe erfährt, so könnt auch ihr euch freuen über die Zuwendung Gottes. Denn Gott will euch trösten wie einen seine Mutter tröstet.

Das saugende Kind an der Mutterbrust ist ein Sehnsuchtsbild des Friedens und der Geborgenheit.

Es trifft uns in einer Zeit, die uns verstört und unsere Gewohnheiten nimmt. Was macht die Corona-Krise mit uns? Gibt es für uns etwas daraus zu lernen?

Selbst jemand wie Fußball-Bundestrainer Joachim Löw fand in diesen Tagen bemerkenswert nachdenkliche Worte:

„Die Welt hat ein kollektives Burnout erlebt. Die Erde scheint sich ein bisschen zu stemmen und zu wehren gegen die Menschen und gegen ihr Tun. Der Mensch denkt immer, dass er alles weiß und alles kann. Das Tempo, das wir in den letzten Jahren vorgegeben haben, war nicht mehr zu toppen. Macht, Gier, Profit, Rekorde standen im Vordergrund … Jetzt haben wir etwas erlebt, das die ganze Menschheit betrifft. Jetzt stellen wir fest, dass wir auf wichtige Dinge schauen müssen, wir stellen fest, was zählt: Familie, Freunde, Mitmenschen, der Umgang miteinander, der Respekt untereinander.“

In Zeiten, in denen uns Sicherheiten verloren gehen, gibt es verschiedene Wege, mit der Krise fertig zu werden: Entweder wir kommen zur Besinnung oder wir werden kopflos. Der durch den Coronavirus hervorgerufene gegenwärtige Ausnahmezustand kehrt unsere besten Eigenschaften hervor oder auch unsere schlechtesten.

Wir entdecken die wirklich wichtigen Dinge in unserem Leben – die Geborgenheit und Hilfe, die wir einander geben können – oder wir schauen in erster Linie, wie wir selber am besten durchkommen.

Krisenzeit ist Bewährungszeit. Auf wen und auf was kann ich mich verlassen, wenn ich einen Kontrollverlust in meinem Leben erleide?

Der Prophet aus dem 6. Jahrhundert v. Chr., der sog. Dritte Jesaja, weist das Volk auf die haltbaren Dinge im Leben hin. Auf den Gott, der die Menschen durch die Jahrhunderte begleitet hat, dessen Führung wieder und wieder erlebt werden konnte. Der sich gezeigt hat als wegweisend und unterstützend im eigenen Lebenslauf. Dieser mütterlich-fürsorgende Gott wird zum Fingerzeig für das Leben in der Krise.

Die Worte sind damals in eine Situation hineingesagt, die nicht weniger verunsichernd war als die heutige: Das Volk Israel war zwar aus der babylonischen Gefangenschaft entlassen, aber die Menschen blieben enttäuscht und verwundet. In die Heimat zurückgekehrt war noch lange alles nicht so, wie es vorher war. Der Tempel in Jerusalem war zerstört, die Stadtmauern geschleift. Es gab Versorgungsengpässe und Wohnungsnot. Es gab keinen Grund für überzogene Zukunftserwartungen.

Und dann dies: Überschwängliche Worte des Trostes an die Hoffnungsmüden. „Freut euch mit Jerusalem!“ - Wo es doch gerade eigentlich gar keinen Grund zur Freude gibt.

„Ich will euch trösten!“ – Wo doch alles gerade so trostlos erscheint.

„Ihr werdet sehen!“ – Wo sich das Leben doch gerade so entleert und sinnlos zeigt.

Die wichtigste Erfahrung von mütterlichem Trost in unserem Leben war doch die, dass er uns zwar nicht den Schmerz und den Kummer nahm, dass er uns aber die Gewissheit gab: Du bist nicht allein, ich bin für dich da! Da ist jemand, der mich hält, für mich sorgt, bei dem ich Geborgenheit finde.

So tröstet Gott. Das ist die Botschaft.

Der Trost Gottes besteht in seinem Wort. In den Texten und Geschichten der Bibel, die wir nachlesen können. In den vielen Zeichen, durch die uns Gott auf seine Wirksamkeit hinweist und mit denen er auf unsere Gebete antwortet. Und in der ganz konkreten Zuwendung von Helferinnen und Helfern in der Not, durch die wir die Menschenfreundlichkeit Gottes erleben können.

Trost bedeutet nicht die Abwesenheit von Leiden. Trost ist die Gewissheit, auch im Leiden nicht allein zu sein. Die Passionszeit erinnert uns daran, dass Gott selbst in Jesus Christus gelitten hat. Jesus Christus hat das menschliche Leiden ermessen, er hat es durchschritten bis zu seinem Tod am Kreuz. Er hat in all dem Gottes Zuwendung und Beistand erfahren. Mehr noch, die siegreiche Lebenskraft Gottes wurde in ihm offenbar durch die Auferstehung am Ostermorgen.

Diesen Trost gilt es zu nähren und zu bewahren in den Krisen und Nöten, die uns treffen. Und es geht darum, ihn weiterzugeben in barer Münze von Nächstenliebe und konkreter Nachbarschaftshilfe. In allem, was jetzt dran ist, um Menschen in Krankheit, Einsamkeit und Bedürftigkeit nicht im Stich zu lassen.

„Deutschland schließt die Grenzen“.

Die Schlagzeile verliert ihren Schrecken, wenn wir im Gegenzug die Grenzen unserer Mitmenschlichkeit und unseres Gottvertrauens öffnen. Wenn wir den Trost weitergeben, der uns gerade jetzt erreichen will: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“

Amen.      

 

Ökumenisches Gebet in Zeiten der Corona-Krise

Guter und barmherziger Gott!
In Zeiten von Verunsicherung und Krankheit kommen wir gemeinsam zu Dir und werfen alle unsere Sorgen auf Dich. 
Du schenkst uns neue Zuversicht, wenn uns Misstrauen und Unsicherheit überwältigen.
Du bleibst uns nahe, auch wenn wir Abstand voneinander halten müssen.
Wir sind in deiner Hand geborgen, selbst wenn wir den Halt zu verlieren drohen.

Wir bitten dich:
für alle Menschen, die sich mit dem Corona-Virus angesteckt haben und erkrankt sind;
für alle Angehörigen, die in tiefer Sorge sind;
für alle Verstorbenen und für die, die um sie trauern;
für alle, die Angst um ihren Arbeitsplatz haben und um ihre Existenz fürchten.
Sei ihnen allen nahe, gib ihnen neue Hoffnung und Zuversicht,
den Verstorbenen aber schenke das Leben in deiner Fülle.

Wir bitten dich:
für alle Ärztinnen und Ärzte, für alle Pflegenden in den Kliniken, Heimen und Hospizen;
für alle, die Verantwortung tragen in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft;
für alle, die uns Tag für Tag mit dem Lebensnotwendigen versorgen;
für alle Seelsorgerinnen und Seelsorger, die den Menschen Gottes Frohe Botschaft zusagen.
Sei auch ihnen nahe und schenke ihnen Kraft, Mut und Zuversicht.

Wir bitten dich:
für die jungen Menschen unter uns, die Kinder und Jugendlichen,
für alle, die um ihre Zukunft fürchten,
für die Familien, die die erzwungene Nähe nicht gewohnt sind,
für alle, die die Betreuung von Kindern und Jugendlichen übernommen haben.
Sei ihnen allen nahe, schenke ihnen Geduld und Weitsicht, Verständnis und Hoffnung.

Wir bitten dich:
für die Menschen weltweit, deren Gesundheit an jedem Tag gefährdet ist,
für alle, die keine medizinische Versorgung in Anspruch nehmen können,
für die Menschen in den Ländern, die noch stärker von der Krankheit betroffen sind.
Sei ihnen allen nahe und schenke ihnen Heilung, Trost und Zuversicht.

Auch bitten wir dich für uns selbst:
Lass uns trotz aller Sorgen den Blick für die anderen nicht verlieren und ihnen beistehen.
Mache uns bereit, Einschränkungen in Kauf zu nehmen
und lass uns dazu beitragen, dass andere Menschen nicht gefährdet werden. 
Erhalte in uns die Hoffnung auf dich, unseren Gott,
der uns tröstet wie eine liebende Mutter und der sich aller annimmt.
Dir vertrauen wir uns an. 
Dich loben und preisen wir, heute und alle Tage unseres Lebens bis in Ewigkeit.

Wir beten mit der ganzen Christenheit auf Erden: 

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute,
und vergib uns unsre Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich
und die Kraft
und die Herrlichkeit
in Ewigkeit.
Amen.

Gebetsvorschlag der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen NRW (ACK)

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