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Gemeinsames Nachdenken über die Zukunft der Kirchen - „Tecklenburger Gespräche“ mit Superintendent André Ost

Im Jahr 2019 legten Wissenschaftler des „Forschungszentrums Generationenverträge“ der Albrecht-Ludwigs-Universität Freiburg eine Studie zur langfristigen Projektion der Kirchenmitglieder und des Kirchensteueraufkommens für die 20 evangelischen Landeskirchen und die 27 (Erz-) Bistümer der katholischen Kirche vor. André Ost, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Tecklenburg, stellte im Rahmen der „Tecklenburger Gespräche“ die wesentlichsten Erkenntnisse vor. Mehr als 60 Teilnehmer ließen sich im evangelischen Gemeindehaus über zukünftige Entwicklungen bis zum Jahr 2060 informieren.

Bahnbrechend neu seien die Ergebnisse nicht, so André Ost. Sie könnten jedoch den Blick schärfen für Herausforderungen und Weichenstellungen der nächsten Jahre. „Deutschland wäre ärmer ohne die vielen Christinnen und Christen, die sich aus der Kraft ihres Glaubens heraus für das Gemeinwesen einsetzen“, hatte der Ratsvorsitzende der EKD, Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm, bei der Veröffentlichung festgestellt.

Die Studie prognostiziert, dass die „Volkskirchen“ im betrachteten Zeitraum die Hälfte der Mitglieder sowie der Kirchensteuereinnahmen verlieren werden. In der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) werde bereits bis 2030 ein Einnahmeverlust von 20 bis 25 Prozent erwartet, konstatieren die Macher der Studie. Das habe zur Folge, dass der Personalbestand wie auch die Zahl der Kirchengebäude erheblich sinken müsse und ein schmerzhafter Umbauprozess bevorstehe, schlussfolgerte der Referent. Das Überdenken vorhandener Strukturen, wie die Schaffung von Synergien in Kooperationsräumen, könnte dem zu erwartenden Personalmangel entgegenwirken. Essenziell sei die Stärkung des Ehrenamtes, betonte André Ost.

Der Rückgang hat verschiedene Ursachen, neben demografischen Faktoren spielt das Tauf-, Austritts- und Eintrittsverhalten der Bundesbürger eine entscheidende Rolle. Dieses positiv zu beeinflussen, wird eine der maßgeblichsten Aufgaben, auch in den Kirchengemeinden, sein. Die in der EKD-Broschüre „Kirche im Umbruch“ veröffentlichten Folgerungen der Studie ergänzte der Superintendent mit konkreten Ideen für den Kirchenkreis Tecklenburg. Über die Fragen, wie die Kirchen attraktiv bleiben und Menschen weiterhin von sich überzeugen können, entspann sich nach dem Vortrag eine lebendige Diskussion. Die Ausbildung von „Quereinsteigern“ zur Behebung des Pfarrermangels werde bereits durch die Einrichtung eines berufsbegleitenden Studiums praktiziert, entgegnete Ost auf eine entsprechende Anregung. Innovationsräume, Mut zum Glauben, Familie, Kommunikation, Weitergabe der Liebe Gottes, Ökumene, ansteckende Modelle, Glaubenskurse – die Themen waren vielfältig.

Einen großen Raum nahmen Vorschläge und Erfahrungen zur Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen in das Leben der Kirchen ein. Es gelte, inhaltliche Akzente gemeinsam mit der Jugend zu erarbeiten, Gemeinschaft zu fördern und eine frühe Sozialisierung anzustreben. Dabei käme auch den Eltern eine herausragende Rolle zu. Björn Thiel, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Tecklenburg, berichtete von seinen Versuchen, mit außergewöhnlichen Gottesdiensten Jüngere und Ältere an die Kirche zu binden. Moderne Formate, wie der Valentins-Gottesdienst, würden gut angenommen, dennoch gebe es Austritte. Er halte es weiterhin für wichtig, mit besonderen Angeboten frische Impulse zu setzen, hob Thiel hervor.

Pfarrer em. Günter Witthake von der katholischen Kirchengemeinde Seliger Niels Stensen mahnte die gemeinsame Suche aller Christen nach Lösungswegen an. Für die anstehenden Veränderungen seien radikale Veränderungen erforderlich, nicht nur „Kosmetik“, so der Seelsorger. „Die Studie wurde von der EKD und der Deutschen Bischofskonferenz in Auftrag gegeben, also müssen wir sie auch gemeinsam umsetzen“, forderte er. Reinhard Lohmeyer, Pfarrer in der evangelischen Kirchengemeinde Ibbenbüren, erinnerte daran, dass Freikirchen auf dem Vormarsch seien. Den gesellschaftlichen Trend des Pluralismus positiv aufzufassen und in die Kirchen zu tragen, biete viele Chancen, so Lohmeyer. „Wir sollten neue Akzente setzen und viel mehr über Gelingendes sprechen, als über negative Aspekte“, legte er den Zuhörern ans Herz. Ulrike Lausberg verwies ebenso wie André Ost darauf, dass in dem notwendigen Reform- und Umbauprozess der Kirchen grundlegende theologische Themen nicht vernachlässigt werden.

Text: Brigitte Striehn

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