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„Geschwister der Bibel. Geschichten über Zwist und Liebe“

Neid war's wohl nicht, was die Westerkappelner Pastoren Adelheid Zühlsdorf-Maeder und Olaf Maeder bewegte, als sie die Bänke voller Menschen sahen, die zur Lesung von Margot Käßmann in die Stadtkirche gekommen waren. Aber ein ähnliches Echo auf ihre Gottesdienste würden sie sich schon wünschen, wie Olaf Maeder unumwunden einräumte. „Es sind noch ein paar Plätze frei“, sagte er mit Blick auf die sonntäglichen Feierstunden in den Westerkappelner Kirchen.

Am Nachmittag des letzten Januarsonntags hingen jedoch erst einmal mehr als 500 Besucher an den Lippen der evangelischen Theologin und Autorin Käßmann. Die 61-Jährige war auf Einladung der Evangelischen Erwachsenenbildung im Kirchenkreis Tecklenburg, der Kirchengemeinde Westerkappeln, der Frauenhilfe und des Ausschusses für Frauenfragen aus Hannover angereist und wollte offenbar zügig wieder dorthin zurück.

Nichtsdestotrotz bescherte Käßmann ihrem Publikum mit der Lesung aus ihrem Buch „Geschwister der Bibel“ eine höchst vergnügliche und kurzweilige Stunde, die nicht nur wegen der Prominenz der Autorin in Erinnerung bleiben wird.

Aus ihren 20 „Geschichten über Zwist und Liebe“ pickt sie sich jeweils drei aus dem Alten und dem Neuen Testament heraus. An den Beispielen von Kain und Abel, Lea und Rahel, Andreas und Simon Petrus, den Töchtern des Lot oder Jesus als dem Ältesten von mehreren Geschwistern macht sie zum einen deutlich, wie sehr Brüder und Schwestern sowie die Position in einer Geschwisterfolge Einfluss auf die einzelnen Persönlichkeiten nehmen. Zum anderen möchte Käßmann ihren Lesern und Zuhörern vor Augen zu führen, „wie viel die Bibel immer wieder mit uns Menschen und unserem Leben zu tun hat“.

An dieser Stelle kommt der zu Beginn erwähnte Neid ins Spiel, den die Westerkappelner Pastoren wohl nicht empfunden haben, der aber unter Geschwistern ebenso wie Eifersucht und Konkurrenzdenken den Familienalltag stark beeinflusst. Das endet üblicherweise nicht in einer Spirale der Gewalt wie bei Kain, „dem allerersten Kind der Bibel“ und späteren Brudermörder, oder in einer Missbrauchsgeschichte wie bei Lots Töchtern.

Margot Käßmann hat die beiden in der Bibel Namenlosen Naomi und Deborah genannt, weil es ihr wichtig gewesen sei, „dass diese Frauen Namen haben“. Gleich in mehrfacher Hinsicht gehe es in deren Leidensgeschichte um den schrecklichen Missbrauch der Töchter durch den Vater. Dem Machtmissbrauch in Form der Auslieferung der Mädchen an zwei Fremde folgen der sexuelle Missbrauch durch den Vater sowie die Schuldzuweisung an die Töchter, die den Vater betrunken gemacht und zum Inzest verführt hätten, weil sie von ihm schwanger werden wollten.

In ihrem Buch spinnt die Autorin die Fäden der biblischen Geschichten weiter und legt den Finger in die Wunden des furchtbaren Geschehens. Aber manchmal ist auch Schmunzeln angesagt. Wenn Käßmann das Leben Jesu aus der Perspektive seiner jüngeren Geschwister betrachtet, sehen diese den großen Bruder als denjenigen, der mit seiner Arroganz, seinem respektlosen Benehmen gegenüber der Mutter und seinem peinlichen Verhalten verärgert und die dennoch zu ihm stehen, um ihn weinen und trauern. Unter Geschwistern geht es - in der Bibel wie im wahren Leben - eben nicht immer um Neid, Eifersucht und Konkurrenz, sondern um enge Beziehungen, große Liebe zu- und Verantwortung füreinander.

Margot Käßmann ergänzt ihre Lesung um kleine Anekdoten und Exkurse. So erinnert sie sich an eine Fußwaschung, die sie einst als Vikarin organisiert hat, oder macht am Beispiel der Schwiegermütter in der Bibel deutlich, dass der Zölibat eben nicht von Anfang da gewesen sei.

Die Theologin erzählt lebhaft und mit einem Augenzwinkern und nimmt sich am Ende trotz aller Geschäftsmäßigkeit ihres Auftritts die Zeit, Bücher zu signieren.

Text: Dietlind Ellerich

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