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Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen: Dirk Oetmann referiert über "Künstliche Intelligenz"

Roboter, die alte Menschen pflegen oder Computer, mit denen wir uns unterhalten können – Wis-senschaftler versuchen seit vielen Jahren, den komplexen menschlichen Geist künstlich nachzubauen. Über dieses komplexe Thema sprach der Informatiker Dirk Oetmann im Rahmen des Ev. Sozialseminares Lienen.

Zu Beginn seines Vortrages führte der Referent kurz durch die Geschichte der Entwicklung künstlicher Intelligenz (im Folgenden „KI“ genannt). Dabei wurde schnell klar – nicht alles, was so ausschaut, ist auch KI. Aber wo fängt künstliche Intelligenz an?

KI oder nicht KI? Das ist hier die Frage!

Ein Taschenrechner zum Beispiel, der mühelos und sekundenschnell die 3. Wurzel aus 4,6 Millionen errechnen kann, ist nicht intelligent. Er arbeitet lediglich nach vorgegebenen Rechenregeln, kann dies jedoch viel schneller als das menschliche Gehirn. Unterschied zur KI: er fängt nicht selbständig an, sich Aufgaben zu suchen und er optimiert nicht selbständig die Rechenwege. Unter KI versteht man Systeme, die sich nach dem Vorbild eines menschlichen Gehirns selbst optimieren. Forscher und Politiker sehen vermeintlich revolutionäre Anwendungsgebiete, zum Beispiel in Medizin und Pflege, aber auch in Industrie und Verkehr. Das selbstfahrende Auto ist da nur ein Beispiel.

Den vielen euphorischen Versprechungen stehen aber auch reelle Ängste und Bedenken gegenüber – wie wird sich die immer weiter fortschreitende Anwendung der KI auf unsere Gesellschaft auswirken? Wie jede vom Menschen entwickelte Technologie hat auch die KI sowohl gute als auch schlechte Seiten. So werden z.B. einige Einsatzgebiete in der Pflege von vielen Menschen mit Handycaps selbst positiv gesehen, da sie ihnen – auch angesichts des „menschlichen Pflegenotstandes“ – viele alltägliche Verrichtungen erleichtern und ihnen mehr Autonomie verleihen.

Sehr bedenklich ist demgegenüber der gesamte Bereich der Bilderkennung und Bildmanipulation zu bewerten. Selbst die KI selbst kann offensichtlich inzwischen ein gefälschtes Bild nicht mehr von einem authentischen Bild unterscheiden – und das gilt sogar für bewegte Bilder. Was bedeutet, dass der Wert von Fotos und Videos als Beweis in der Gerichtsbarkeit quasi verschwindet. Auch die Glaubwürdigkeit der Medien wäre beschädigt. Was dies für unsere Gesellschaft bedeutet, kann sich jeder unschwer ausmalen.

Der größte Geldgeber für die Entwicklung der KI ist das Militär

Leider ist einer der größten Geldgeber für die Entwicklung der KI aber das Militär. Folglich sieht der Referent auch eine der größten Gefahren der KI in der schrittweisen Verlagerung bzw. Auslagerung von Moralentscheidungen bei der Anwendung autonomer Waffensysteme.  Das geht bis zur Entwicklung vollautonomer Systeme mit automatischer Wahl von Einsatzzeitpunkt, -ort und -ziel (z.B. AEGIS oder PATRIOT Raketenabwehr).

Damit verbunden ist auch die grundsätzliche Frage, ob eine KI in Zukunft so etwas wir moralischen Empfinden entwickeln und ethische Entscheidungen treffen können wird. Wenn ja, wäre die KI dann nicht irgendwann dem Menschen ebenbürtig? Und wenn eine künstliche Intelligenz nicht mehr von einer Menschlichen unterschieden werden kann, ist dann das Abschalten derselben bzw. das Löschen der zugehörigen Daten Mord? Dazu zwei Schlagzeilen: Im November 2017 wird dem Roboter „Sophia“ in Saudi-Arabien die Staatsbürgerschaft anerkannt. Und im März 2018 spricht sich das EU-Parlament dafür aus, einen rechtlichen Status für Roboter als „elektronische Person“ zu definieren. Hier intervenierten allerdings viele angesehene Experten auf dem Gebiet der KI, um diesen Vorstoß zu stoppen.

KI-Religion anerkannt

Wer wundert sich da noch darüber, was 2015 im Land der unbegrenzten Möglichkeiten passierte:  Im Silicon Valley (USA) gründete Anthony Levandowski eine eigene Religion namens „Way Of The Future”, die sich der Anbetung und Unterstützung der aufsteigenden Künstlichen Intelligenz verschreiben will. “Was erschaffen wird, ist im Grund eine Gottheit. Es ist kein Gott in dem Sinne, dass es Blitze oder Wirbelstürme erzeugt. Aber wenn es etwas gibt, das eine Milliarde mal klüger ist als der klügste Mensch, wie soll man es sonst nennen”, erklärt Levandowski gegenüber dem Magazin Wired. Das Verrückteste daran: Im August 2017 erkennt die US-Bundessteuerbehörde die Religion offiziell an. Das Absurde daran ist wohl, dass das die erste Religion ist, deren göttliche Entität (in der Philosophie: Das Seiende im Vergleich zu einer Sache) NACHWEISLICH nicht existiert!

Fazit

Der Referent zeigte sich durchaus begeistert von den Leistungen der Technik und begrüßte die Entwicklungen auf dem Gebiet der KI, die unsere Gesellschaft bereichern, zum Beispiel indem sie helfen, Gefahren zu erkennen. Besorgt ist er jedoch angesichts des hohen Schadenspotentials, sei es durch die Vernichtung von Arbeitsplätzen, Verringerung der Glaubwürdigkeit durch Manipulation der Medien oder den Einsatz in Waffensystemen. Daher wären jetzt unbedingt strenge Regeln und ein allgemeiner Wille zum moralischen Umgang mit KI nötig, und dies global. Dieses Statement lässt sich sehr gut mit dem Zitat von Roy Amara (Forscher, Futurist und Präsident des US-Instituts für Zukunftsforschung) auf den Punkt bringen: „Wir neigen dazu, die Wirkung einer Technologie kurzfristig zu überschätzen und auf lange Sicht zu unterschätzen“.

Text: Dr. Anja Oetmann-Mennen

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