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Neue Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt ist „großer Schritt in die Zukunft“

Es ist kein neues Phänomen, aber eines, das in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist: Frauen und Mädchen, die in der Öffentlichkeit „angemacht“ oder verbal sexuell belästigt, die ungewollt angefasst oder gar vergewaltigt werden - und unter den Folgen dieser Übergriffe zum Teil massiv leiden. Hilfe finden diese Opfer seit Anfang April in der neu gegründeten „Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt“, einer Unterabteilung der Frauenberatungsstelle Rheine.

Es sei ein „ganz großer Schritt in die Zukunft“, betont Stefan Zimmermann, geschäftsführender Vorstand des Diakonischen Werks im Ev. Kirchenkreis Tecklenburg e.V.. Als Träger ist die Diakonie eine der drei Säulen der neuen Fachberatungsstelle. Der Kreis Steinfurt und insbesondere das Land NRW fördern die Arbeit darüber hinaus finanziell.

Zwar gab und gibt es in Rheine seit 2011 die - ebenfalls kreisweit arbeitende - Frauenberatungsstelle, doch kristallisierte sich in den vergangenen Jahren immer mehr heraus: Das reicht nicht! Zunehmend bekamen es die Mitarbeiterinnen der Einrichtung mit Fällen sexualisierter Gewalt zu tun, die jedoch aufgrund zu geringer personeller Kapazitäten nur begrenzt betreut werden konnten. Zwar sei der Kreis Steinfurt insgesamt in Sachen Beratungsangebote sehr gut aufgestellt, meint Stefan Zimmermann, im Bereich der sexualisierten Gewalt habe es jedoch einen weißen Fleck auf der Landkarte gegeben. Dieser ist nun geschlossen, und Ria Mester und Agnes Denkler, die seit Anfang April ihre Arbeit in der neuen Fachberatung aufgenommen haben, sind hochmotiviert für ihr neues Aufgabenfeld.

Vorrangig wolle man Frauen und Mädchen nach Vergewaltigung, sexueller Nötigung und Belästigung (auch am Arbeitsplatz) beraten und begleiten, so zum Beispiel zur Polizei oder bei Prozessen. Doch auch Öffentlichkeits- und Präventionsarbeit in Form von Broschüren, Kampagnen an Schulen (ab 7./8. Klasse) etc. stehen auf dem Programm der beiden Mitarbeiterinnen. So soll das Thema, das nach wie vor oft mit großer Scham besetzt ist, enttabuisiert werden. Die Mitarbeiterinnen wollen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass auch der vermeintlich „harmlose“ anzügliche Spruch am Arbeitsplatz oder die (unerwünschte) Hand auf der Schulter schon eine Form sexualisierter Gewalt darstellen können. Es geht den Tätern darum, Macht und Kontrolle auszuüben, auch wenn es ihnen vielleicht nicht immer bewusst ist. Entgegen häufiger Annahmen wird sexualisierte Gewalt nämlich meist nicht durch Fremde ausgeübt, sondern im „sozialen Nahraum“, also durch Familie, Freunde oder Kollegen. Und sie ist auch kein Phänomen bestimmter Schichten, sondern tritt – ebenso wie häusliche Gewalt – überall auf: In der angesehenen Arztfamilie ebenso wie in der Arbeiterfamilie oder der Familie mit Migrationshintergrund.

301 „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ wurden im Jahr 2018 kreisweit dokumentiert - Tendenz steigend. Die Dunkelziffer ist dabei vermutlich sehr hoch, doch wird wohl, infolge der Arbeit der neuen Fachberatungsstelle, die Zahl der zur Anzeige gebrachten Fälle in den kommenden Jahren deutlich steigen. Die Fachberatungsstelle weist dabei eine „Komm-Struktur“ auf: Die Frauen vereinbaren telefonisch einen Termin für eine persönliche Beratung; diese ist kostenfrei und auf Wunsch auch anonym. In erster Linie werden Betroffene beraten. Die Fachberaterinnen für Psychotraumatologie bieten den Frauen unter Anderem Übungen an, um körperlichen und psychisch fühlbaren Folgen der Übergriffe zu verarbeiten. Unter Umständen werden auch die Angehörigen miteinbezogen. Außerdem kümmern sich die Mitarbeiterinnen um Multiplikatoren für Teile ihrer Aufgabenfelder. Die Arbeit findet in enger Kooperation mit der Polizei statt, außerdem werden perspektivisch Kontakte zu anderen Stellen aufgenommen, um zu sehen, welche Lücken es zu schließen gilt.

Die „Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt“ ist eine Unterabteilung der Frauenberatungsstelle (Münsterstraße 3, Rheine), die vor acht Jahren gegründet wurde und seitdem das seit 32 Jahren betriebene Frauenhaus ergänzt. Derzeit gibt es eine räumliche Trennung der beiden Einrichtung: Die neue Fachberatungsstelle findet sich im Diakoniegebäude an der Münsterstraße 48, Rheine (roter Backsteinbau Ecke Kardinal-Galen-Ring, gegenüber der Emsgalerie).

Telefonisch sind die Mitarbeiterinnen erreichbar unter: 05971 800 92 92. E-Mail: fachberatung-gewalt@dw-te.de.                                        

Text: Claudia Ludewig

 

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