Unsere aktuellen Nachrichten auf einen Blick

Die Anfänge in beiden deutschen Staaten - 1980 fand zum ersten Mal eine FriedensDekade statt

Pfarrer i.R. Detlef Salomo, der Friedensbeauftragte des Kirchenkreises, informiert im nachfolgenden Text über die Entwicklung der Friedensdekade: Vor 40 Jahren entstand mit der FriedensDekade in der damaligen DDR und der ersten bundesweiten Friedenswoche diese großartige Idee, die kirchliche und politische Öffentlichkeit an die Friedensverantwortung zu erinnern.

Im Westen waren die Friedenswochen anfänglich eine Initiative, die in einem freien Zusammenschluss von Basisgruppen getragen wurde. Dazu zählten die Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, Ohne Rüstung leben, Christen gegen den Atomtod, Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung, aber auch politische Kampagnen wie der Krefelder Appell. Den Dachverband der verschiedenen Gruppen und Organisationen bildete die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF). Die Friedenswochen erreichten unter dem Motto „Frieden schaffen ohne Waffen“, schnell eine große Breitenwirkung. Aus den heftigen Diskussionen um die Atomwaffen-Anfänge der 80-iger Jahre erwuchs dann das breite Bündnis der Friedensbewegung, die hunderttausende Menschen gegen die atomare Rüstung und die militärische Abschreckung auf die Straße brachten. Innerhalb der Kirche prallten mit der Stationierung neuer Raketen die Fronten hart aufeinander. Während die Evangelische Kirche in Deutschland die Abschreckung und Verteidigung mit Atomwaffen weiterhin als noch christlich vertretbar hielt, stellte der Reformierte Bund sein „Nein ohne jedes Ja“ gegenüber und erklärte die Bereitstellung und mögliche Anwendung von Massenvernichtungsmitteln mit dem christlichen Glauben für unvereinbar. Im Westen stand die verfasste Kirche der Friedensbewegung und den Atomwaffengegnern eher distanziert gegenüber.

Im Osten geht die FriedensDekade auf eine Anregung der Landesjugendpfarrer zurück, die von Anfang an durch den Bund der Evangelischen Kirchen (BEK) unterstützt wurde,  obwohl mit Widerstand zu rechnen war. Denn eine staats-unabhängige Friedensbewegung wurde in der DDR nicht geduldet. Deshalb konnte diese Anregung auch nur im innerkirchlichen Raum residiert werden. Es waren Veranstaltungen in Kirchen und Gemeindehäusern vorgesehen, die zunächst an junge Menschen gerichtet waren, aber auch die ganze Gemeinde ansprechen sollte. Dafür wurden Arbeitsmaterialien vorgelegt. Da eine friedliche Einstellung mit dem Gebet und der persönlichen Umkehr beginnt, wählte man den Buß- und Bettag im November, der als Friedenstag gestaltet werden sollte, mit landesweiten Glockengeläut und Gottesdiensten. Parallel zu dieser Initiative der Jugendpfarrämter entstand die Idee für einen besonderen Gottesdienst mit einem „Gebet für Frieden und Abrüstung“, der auch im November gehalten werden sollte, zeitgleich in Ost und West, ökumenisch und nach der gleichen Liturgie. Zwischen dem Gottesdienst für Frieden und Abrüstung und dem Buß- und Bettag lagen zehn Tage, deshalb wurde schon bald von einer Friedens-Dekade gesprochen. Ein mit der EKD vorbereiteter und in beiden Kirchenbünden, EKD und BEK, gefeierter Gottesdienst wurde von der DDR ungern gesehen.

Dennoch blieb diese Zusammenarbeit bis zum Fall der Mauer bestehen, ja, man kann sogar sagen, dass die Friedensdekade einen nicht unwesentlichen Beitrag zur gewaltfreien Revolution geleistet hat.

Der Friedensgedanke wurde auch der Kirche auf die Straßen getragen. Mit allem hatten die Mächtigen gerechnet, aber nicht mit „Kerzen und Gebeten“.

Die erste FriedensDekade fand vom 9. bis 19. November 1980 statt. Sie verlief in der DDR ungestört von staatlichen Eingriffen, wenn auch vom Staatssicherheitsdienst beobachtet. Auch hier waren die Initiatoren überrascht von der enormen Resonanz.

Das Logo „Schwerter zu Pflugscharen“ wurde dann mit der zweiten Friedens-Dekade zu einem Zeichen, das schon bald die Öffentlichkeit prägt und bis heute für die Ökumenische Friedens-Dekade steht. Es geht auf den sächsischen Landesjugendpfarrer Harald Brettschneider zurück. Bei der Suche nach einem aus-sagekräftigen Symbol entdeckte er die Abbildung eines Denkmals von Jewgeni Wiktorowitsch Wutschetitsch das auf dem Gelände des UNO-Hauptgebäudes in New York steht. Es war ein Geschenk der Sowjetunion, das den Friedenswillen gegenüber der UNO symbolisieren sollte. Dabei handelt es sich um eine Statue, die einen muskulösen Schmied darstellt, der ein Schwert  zu einer Pflugschar umschmiedet. Durch diese Darstellung stießt er auch auf die biblische Textgrundlage: Micha 4, 5 „Schwerter zu Pflugscharen“, die Vision einer künftigen Welt ohne Kriege.                                                                                                                                                  

Zunächst wurden Bild und Bibeltext als Lesezeichen und dann als Aufnäher gedruckt.  Ein Zeitzeuge berichtet, dass es anfangs vom Staat nicht als kritisch eingestuft wurde, eher innerhalb der Kirche. Manche sagten, es sei zu „sowjetisch“. Das Denkmal – selbstverständlich ohne Bibelwort war bereits im DDR-Geschichtsbuch der 6. Klasse und in einem Geschenkband zur Jugendweihe abgebildet. Dadurch war es staatlich anerkannt. Erst als die Jugendlichen sich das von Pfarrer Brettschneider entwickelte Zeichen auf die Jacken nähten, wurde es in der Öffentlichkeit getragen und zum Identifikationssymbol einer christlichen Friedensposition. Die Jugendlichen sahen sich nun mit dem Vorwurf konfrontiert, einen undifferenzierten Pazifismus zu vertreten und die Soldaten zu verunsichern. Sie wurden gezwungen, die Aufnäher zu entfernen. Der Aufnäher löste einen Konflikt mit dem Staat aus, weil er als öffentliche Kritik an der staatlichen Friedenspolitik angesehen wurde. Damit bekam das aussagekräftige Symbol eine politische Bedeutung, die die FriedensDekade seit 40 Jahren hat. Standen anfangs die Atomwaffen und das Wettrüsten im Mittelpunkt, so wurden die Themen umfassender: Die Kriegsursachen und der Export der Waffen, die Situation der Flüchtlinge in Deutschland, die Gewalt in unserer Gesellschaft, die Ausgrenzung von Menschen, die ungerechte Verteilung von Ressourcen  und die Folgen von Armut. Immer deutlicher wurde der  Zusammenhang von Frieden und Gerechtigkeit  betont. Neben der Kritik an der Entwicklung neuer Waffentechnologien wurden neue Weg zur gewaltfreien Konfliktlösung aufgezeigt.

Die FriedensDekade hat viel zur Aufklärung und zur Information, aber auch zum Engagement beigetragen. Sie ist mittlerweile fest im Kirchenjahr verankert und bietet Raum zur Besinnung, zum Nachdenken, zum Gebet und zur „Umkehr zum Frieden“ – wie das Motto zum Jubiläum lautet. Sie verbindet christlich denkende und solidarisch handelnde Menschen. Wie es mit ihr weitergehen und welche Breitenwirkung sie künftig haben wird, kann heute niemand sagen, aber einer 40-jährigen darf man noch ein langes Leben wünschen.

Detlef Salomo, Pfarrer i. R.

Friedensbeauftragter

 

 

 

 

 

 

 

 

Zurück