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Die „Frontex“-Agentur mit anderen Augen sehen - Vortrag von Berthold Griese in Tecklenburg machte betroffen

Im Rahmen der Fortbildungsreihe „Fremde aufnehmen“ im Kirchenkreis Tecklenburg informierte der Polizeibeamte Berthold Griese am 10. September im Evangelischen Gemeindehaus Tecklenburg über die Tätigkeit der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache „Frontex“. Nach einer gründlichen Ausbildung war er von November 2019 bis Dezember 2020 in den spanischen Küstenorten Almería und Algeciras im Einsatz.

Zu seinen Aufgaben gehörten die Befragung ankommender Migranten auf dem Seenot-Kreuzer oder in der Notunterkunft, die Separierung möglicher Zeugen, die gegen einen Schleuser aussagen, sowie die Erzielung glaubhafter Angaben über die Herkunft der Geflüchteten. Bei den Befragungen fiel auf, dass nur ein geringer Teil der Ankömmlinge Ausweispapiere mit sich führte. Handys wurden ihnen von den Schleusern abgenommen und weggeworfen, um die Ortung von Geodaten zu verhindern.

Die Mehrheit der Flüchtlinge, die es bis nach Spanien schaffen oder von der Küstenwache gerettet werden, kommen aus Marokko, Algerien oder Ländern der Subsahara. Menschen, die ihre Heimat im Senegal, in Niger, Mali oder Guinea verlassen, benötigen oft Jahre, um das Geld für die Überfahrt zu verdienen. Dabei sind sie zahlreichen Gefahren ausgesetzt, von Gefangennahme, Raub und Vergewaltigung bedroht, erfuhren die Zuhörer.

Berthold Griese legte zudem die Arbeitsweise der Schleuser offen. Viele Fotos verdeutlichten, wie gefährlich es ist, sich einem von ihnen anzuvertrauen. Für mehrere tausend Euro werden die Flüchtlinge in erbärmliche Gummi- oder Holzboote gesetzt. Rettungswesten bestehen aus Autoschläuchen oder Stofffetzen mit Styropor, die sich im Wasser vollsaugen. Als Paddel dienen mit Pappe vergrößerte Fliegenklatschen, hat der Beamte beobachtet. Er habe viele gebrochene Menschen gesehen, stellte er fest.

Bei seinem Einsatz im Winter herrschte hoher Seegang, sodass die spanische Küstenwache schwierige Missionen zu bewältigen hatte, hob Griese hervor. Nach der Registrierung war nicht immer ersichtlich, was mit den Migranten passierte. Marokkaner und Algerier wurden darüber belehrt, dass sie Spanien wieder zu verlassen hätten, offiziell würde auf freiwillige Rückreise vertraut. Nach der Ankunft erfolge ein Gesundheitscheck, die Migranten erhielten neue Bekleidung und würden, wenn nötig, ärztlich versorgt. Die nächtlichen Einätze auf den Seenotrettungskreuzern seien schwierig gewesen, erklärte Griese.

„Diese Menschen als ‚Wirtschaftsflüchtlinge‘ zu bezeichnen, ist zynisch“, betonte der Referent. Er plädierte für eine europäische Lösung der Problematik, damit in Deutschland die Akzeptanz nicht sinkt und dem Rechtsradikalismus kein Vorschub geleistet wird. Er selbst habe durch den Einsatz viele neue Erfahrungen erworben und aufgrund von Einzelschicksalen besser verstanden, was Migration heißt. Um weiteres Unrecht nicht zuzulassen, habe er sich für einen neuen Einsatz gemeldet. „Frontex“ sei ein wichtiger Teil europäischer Zusammenarbeit, unterstrich der Polizeibeamte. Er ging auch auf die Grenz-Situation in Bulgarien, Griechenland und der Türkei ein. Die Mitarbeiter seien darüber hinaus bei der Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus ein Stützpfeiler.

In der Diskussion wurden angesprochene Themen vertieft. „Es war ein sehr emotionaler Vortrag, der klarmachte, dass „Frontex“ unter Wahrung der Menschenwürde für Recht und Ordnung sorgt. “, sagte Diakon Eugen Chrost. Einige der Teilnehmer waren von büro-kratischen Hürden für integrationswillige Flüchtlinge genervt, andere stellten die Einteilung nach Herkunftsländern oder gewaltsame Aktionen zur Rückführung von aus Seenot Geretteten infrage. Ein Flüchtling aus Syrien hatte offensichtlich genau das erlebt, wie er berichtete. Stefan Streit, Bürgermeister der Stadt Tecklenburg, unterstrich ebenfalls die Aussagen des Referenten und verwies darauf, dass Anstrengungen zur Erweiterung von Entwicklungshilfe erforderlich seien. Zu der Veranstaltung hatte die Ev. Erwachsenenbildung im Kirchenkreis eingeladen.

Text: Brigitte Striehn

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