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Gemeindeübergreifende Gemeinschaftsprojekte lagen ihm besonders am Herzen - Interview zum Abschied mit Kreiskantor Martin Ufermann

Kreiskantor KMD Martin Ufermann ist mittlerweile seit 34 Jahren als Kantor in der ev. Kirchengemeinde Westerkappeln tätig. Am 1. Mai 1994 wurde er zusätzlich vom Kreissynodalvorstand zum Kreiskantor berufen. Ende März 2021 geht Martin Ufermann in den Ruhestand.

Zu seinen Aufgaben als Kreiskantor gehört es u.a., die haupt-, neben- und ehrenamtlichen Kirchenmusiker*innen, die Kirchengemeinden sowie die Gremien des Kirchenkreises in kirchenmusikalischen Fragen zu beraten, zum Beispiel auch bei der Besetzung von Kirchenmusiker-Stellen. Auch die Ausbildung von nebenamtlichen Kirchenmusiker*innen gehört dazu. Im Kirchenkreis Tecklenburg sind derzeit gut sechzig haupt-, neben-, und ehrenamtliche Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker aktiv. Auf Kirchenkreisebene arbeitet er eng mit den drei hauptamtlichen Kirchenmusikern/-innen in den Gemeinden Rheine-Jakobi, Lengerich und Ibbenbüren zusammen. Mit seinem Wirken hat er die Gemeindearbeit in Westerkappeln und das kirchenmusikalische Profil des Kirchenkreises nachhaltig geprägt.

Ein besonderes Highlight setzte Martin Ufermann 2017 mit der Leitung der Uraufführung des Musical-Oratoriums „Bruder Martin“ beim Reformationsfest der drei Kirchenkreise im Münsterland. Fast 400 Sängerinnen und Sänger, Solisten, das Orchester Musica Viva, eine Band sowie Altpräses Alfred Buss als Sprecher wirkten bei dem Musical auf der Freilichtbühne Tecklenburg mit.

Öffentlichkeitsreferentin Christine Fernkorn befragte Martin Ufermann in einem Interview zu seinen Projekten, Erfahrungen und Empfehlungen für die zukünftige kirchenmusikalische Arbeit in unserem Kirchenkreis:

1. Wenn Sie heute auf Ihre langjährige Tätigkeit in der Kirchenmusik zurücksehen, welche Schwerpunkte und Projekte liegen und lagen Ihnen besonders am Herzen?

Da ich um die Gemeinschaft stiftende Kraft der Musik weiß und zudem ein kommunikativer Mensch bin, lagen mir als Kreiskantor stets gemeindeübergreifende Gemeinschaftsprojekte besonders am Herzen. Gerne erinnere ich mich an die von mir ins Leben gerufenen elf Regionalen Chorsonntage, mit denen wir in fast allen Gemeinden unseres Kirchenkreises zum Teil mehrfach zu Gast waren, die 15 sehr unterschiedlichen thematischen Veranstaltungen der Fortbildungsreihe „Klingende Kirche“, die „Männer-Singtage“ und eine Reihe gemeinsamer Konzertprojekte wie z.B. „Unsere Stimmen für den Frieden“ mit über 300 Chorsängerinnen und -sängern aus drei Generationen, ein Chor-Bläser-Konzertprojekt zusammen mit dem vorzüglichen Bläserensemble unseres Kirchenkreises und natürlich die Uraufführung des Oratoriums „Bruder Martin“ anlässlich des Reformationsjubiläums 2017 mit fast 400 Mitwirkenden auf der Freilichtbühne Tecklenburg. Diese vielen Projekte, die gerade Mitgliedern kleinerer Chöre das stets dankbar aufgenommene Singen in einer großen Chorgemeinschaft ermöglicht haben, wären ohne die tatkräftige, kollegiale Unterstützung der drei anderen hauptamtlichen Kirchenmusiker*innen unseres Kirchenkreises nicht möglich gewesen. Für diese fruchtbare Zusammenarbeit bin ich besonders dankbar.

Lebendige Erinnerungen habe ich auch an zwei mehrwöchige Reisen durch unseren Partnerkirchenkreis Otjiwarongo in Namibia, wo ich 1989 mit einer kleinen Chorgruppe und 2013 mit einem Bläserensemble unsere Partnerschaftsarbeit zum wechselseitigen und gemeinsamen Klingen bringen durfte.

Bei allen Aktionen war mir immer besonders wichtig, Kirchenmusik als einen Teil der christlichen Verkündigung bewusst zu machen, gleichsam als eine Predigt mit Noten.

2. Was schmerzt Sie am meisten, wenn Sie an den jetzigen LockDown denken?

Dass unsere Kirche, die von Anbeginn an eine singende Kirche war, nun schon seit einem Jahr wegen Corona mehr oder weniger zum Schweigen und Verstummen gezwungen ist und dass die Gemeinschaft in den vielen Chören und Musikgruppen, die über eine lange Zeit gewachsen ist, schon so lange „auf Eis gelegt ist“ und es vermutlich lange brauchen wird, bis sie wieder ihre alte Dynamik zurückgewonnen hat, schmerzt mich am meisten.

Gemeinsames, lustvolles Singen ist von einem auf den anderen Tag zu einem gesundheitsgefährdenden Risikofaktor geworden – wer hätte das je gedacht? Es wird dauern, bis wir die Unbefangenheit für das Singen im Chor zurückerlangen. Die Angst vor menschlicher Nähe und einer möglichen Ansteckung mit dem Virus hat sich tief ins Unterbewusstsein eingegraben. Ob alle Chöre die lange Zeit der Pandemie überstehen oder sich nach deren Ende neu werden formieren müssen, muss sich erst noch zeigen.

3. Wie hat sich die Zusammenarbeit mit der Kollegenschaft der Hauptamtlichen Kirchenmusiker/-innen im Kirchenkreis gestaltet?

Kirchenmusiker sind a priori Einzelkämpfer in ihren Gemeinden. Da tut es gut, sich im Kollegenkreis gegenseitig in seiner Arbeit zu unterstützen. Ich bin sehr dankbar für die kollegiale und freundschaftliche Zusammenarbeit im Team der vier hauptamtlichen Kirchenmusiker*innen in unserem Kirchenkreis, die ich als Kreiskantor immer wieder gefördert habe. Obwohl, oder vielleicht gerade weil wir unterschiedliche Musiker-Typen sind, schätzen wir uns sehr. Anstatt Konkurrenz- oder Neidgefühlen, die man gerne Künstlern nachsagt, gibt es bei uns einen echten Teamgeist. So war es möglich, viele schöne Gemeinschaftsaktionen bei unserem vierteljährlichen Kantoren-Frühstück zu planen und als Quartett durchzuführen. Die positive Resonanz vieler Mitwirkenden hat uns immer wieder darin bestärkt.

4. Was hat sich in der Ausbildung der nebenamtlichen Organisten/-innen in den letzten Jahren verändert?

Die stilgerechte Begleitung neuer geistlicher Lieder auf der Orgel hat die klassische Ausbildung ergänzt und sicher auch bereichert.

5. Sie haben als Kreiskantor als Experte bei den Gemeinde-Visitationen mitgewirkt. Was finden Sie im Rückblick besonders bemerkenswert?

Besuche in anderen Kirchengemeinden waren für mich immer interessant und Gewinn bringend. In den Begegnungen mit den Chören und Musikgruppen sowie den fachlichen Gesprächen mit deren Leiter*innen gab es für mich stets aufschlussreiche Einblicke in eine engagierte Arbeit und die Möglichkeit der Hilfestellung und Fachberatung. Interessant fand ich, dass sich beim Abschlussgespräch die Berichte der einzelnen Visitatoren aus den verschiedenen Arbeitsbereichen der Gemeinde zumeist zu einem einheitlichen Gesamtbild zusammensetzten und so das Gemeindeprofil widerspiegelten.

6. Wo sehen Sie vor dem Hintergrund Ihrer jahrzehntelangen Erfahrung weiteres Entwicklungspotenzial in der Kirchenmusik?

Wie und was Kirche ohne Musik ist, erleben wir seit einem Jahr mit der Pandemie bedingt äußerst schmerzlich. Ich glaube, die Bedeutung von Musik als Teil der Verkündigung wird in Zukunft eher noch wachsen. Menschen wollen sich in sakralen Räumen emotional und sinnlich anrühren lassen und sind zugänglich, vielleicht sogar auch zunehmend hungrig, nach spirituellen Erfahrungen. Hier sind wir Kirchenmusiker*innen gefordert.

Es wird auch eine Zeit nach Corona geben. Die Suche und das Bedürfnis nach erfülltem, gemeinsamem Tun werden sich verstärken, auch angesichts einer zunehmenden Individualisierung und Vereinzelung in unserer Gesellschaft. Von daher ist mir um die Zukunft unserer Chöre nicht bange. „Chorleiter sind Experten für Gemeinschaft“. Dieses Zitat von Martin Bartelworth, Vorstand der Creativen Kirche und Geschäftsführer der ev. Pop-Akademie, kann ich voll und ganz unterschreiben.

Entwicklungspotential sehe ich vor allem im Bereich der christlichen Popularmusik. Sie wird deutlich an Bedeutung gewinnen. Das sollte sich zukünftig auch personell in unserem Kirchenkreis, z.B. in Form eines kreiskirchlichen, hauptamtlichen Pop-Kantorats, stärker abbilden.

7. Auf was freuen Sie sich im Ruhestand am meisten? Haben Sie schon Pläne?

Auf neue Freiräume und nicht mehr so lange Arbeitstage mit abendlichen Proben bis 22.00 Uhr. Chorleitung und Dirigieren sind und bleiben meine Passion. Es wird für mich andere und auch neue Formate des gemeinsamen Singens und Musizierens wie z.B. Singwochen u. ä. geben. Andere Vorlieben und Talente, die bisher zu kurz gekommen sind, warten darauf, zum Leben erweckt und in die Tat umgesetzt zu werden. Erste Pläne gibt es dafür. Schauen wir mal, was dabei herauskommt. Ich bin selbst gespannt und freue mich auf neue Entdeckungen.

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