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„Kinder haben Rechte“- Interview zu einer Protestaktion der Leitungen des Kita-Verbunds des Kirchenkreises Tecklenburg und dem Elternbeirat des Ev. Familienzentrums Westerkappeln

Der Elternbeirat des Ev. Familienzentrums Am Kapellenweg in Westerkappeln ruft unter dem Motto „Kinder haben Rechte“ zu einer Protestaktion auf. „Die Rechte von Kindern gehen uns alle an und bestimmen unser aller Zukunft mit“, heißt es in dem Aufruf zur Protestaktion. Der Elternbeirat nimmt darin Bezug auf die UN-Kinderrechtskonvention.

Diese Konvention wurde 1989 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet und trat 1992 in Deutschland in Kraft. 

Öffentlichkeitsreferentin Christine Fernkorn führte zur Protestaktion ein Interview mit Kita-Leiterin Anja Peters:

Wer ist Veranstalter der Protestaktion?

Die Protestaktion wurde in enger Zusammenarbeit von Leitungen des Kindergartenverbundes im Ev. Kirchenkreis Tecklenburg mit dem Elternbeirat des Ev. Familienzentrums Am Kapellenweg ins Leben gerufen.

Was sind Ihre Hauptanliegen?

In erster Line geht es darum, auf die Situation von Kindern in Deutschland aufmerksam zu machen. Die 1989 verhandelten UN-Kinderrechtskonventionen gelten seit 1992 auch in Deutschland.

Schlechte und veraltete Rahmenbedingungen führen dazu, dass die Wahrung dieser Rechte im Bildungssektor kaum umsetzbar ist. Sowohl das pädagogische Fachpersonal als auch das Lehrpersonal geben alles, um den Kindern bestmögliche Voraussetzungen für einen guten Start ins Leben zu geben. Kindheit hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert, was man von den durch die Politik geschaffenen Rahmenbedingungen nicht behaupten kann.

Was sollte im Bereich „frühe Bildung“ konkret verändert werden?

Im Bereich der „frühen Bildung“ geht es derzeit in erster Linie darum, Kinder zu betreuen. Wie die Qualität gesichert werden kann, um eine gute Bindungs- und Beziehungsarbeit zu gewährleisten wird dabei vollkommen außer Acht gelassen. Eine gefestigte Bindungs- und Beziehungsebene ist Grundvoraussetzung für eine gute Bildungsarbeit und sollte im Fokus stehen. Kinder benötigen emotionale Sicherheit, um sich entwickeln zu können. Dafür braucht es einen besseren Erzieher*Innen-Kind-Schlüssel, Fortbildungsmöglichkeiten, Zeit für Erziehungspartnerschaft mit den Eltern, eine gute räumliche Ausstattung mit ansprechenden Materialien und Zeit am Kind statt Zeit für Bürokratie.

In der Grundschule, im Bereich des offenen Ganztages und den weiterführenden Schulen geht dieses Dilemma unseres Erachtens weiter. Auch hier sind die personelle und räumliche Ausstattung oft unzureichend. Entwicklungsstände und individuelle Voraussetzungen von Kindern können ebenso wenig Berücksichtigung finden wie in der „frühen Bildung“.

Ziehen sich die von Ihnen genannten Probleme auch im schulischen Bereich weiter durch?

Die Stichtage zur Einschulung sind bundesweit unterschiedlich geregelt und orientieren sich zumindest in NRW nicht am Entwicklungsstand eines Kindes, sondern an Daten. Häufig führt dies zu Überforderung bereits in der ersten Klasse. In den viel zu großen Klassen kann das Lehrpersonal den unterschiedlichen Entwicklungsständen nur schwer gerecht werden. Immer mehr Kinder bleiben dabei auf der Strecke.

Weiterführende Schulen haben logischerweise mit genau diesen Problemen zu kämpfen, da sich das Problem wie ein roter Faden durch das gesamte Leben von Kindern und Jugendlichen zieht. Die Zahl der Schulverweigerer nimmt zu. Bereits im frühen Kindesalter sinkt die Lust am Lernen, da Wissensvermittlung im Vordergrund steht und es keinen Raum für individuelle Fähigkeiten, Stärken und Schwächen gibt.

Sie stellen in Ihrem Aufruf die Rechte der Kinder in den Mittelpunkt. Was ist der Hintergrund?

Kinder haben wenig Zeit, Dingen selbst auf den Grund zu gehen und eigene Erfahrungen zu machen, Dinge auch mal auszuhalten. Sie müssen viel zu oft funktionieren.  Das macht es auch schwer, sich als Gemeinschaft zu erleben und sozial-emotionale Fähigkeiten zu entwickeln.

Die Ansprüche der Gesellschaft an Kinder und Jugendliche steigen zunehmend. Sie sollen „sich benehmen und Leistung bringen, freundlich sein und Natur und Umwelt achten“. Aber wie lernt man denn sich zu benehmen? Wieviel Zeit und authentische Vorbilder muss ich haben, um soziale Fähigkeiten zu erlangen?

Das alles ließe sich unendlich fortführen. Ich glaube, nicht die Kinder müssen sich verändern, sondern die Voraussetzungen, die wir Erwachsenen Kindern ab der Geburt schaffen. Hier ist die Politik ge-fragt. Dort werden eben diese Voraussetzungen geschaffen.

Wirtschaftliche Interessen stehen in Deutschland sehr im Fokus… zu einem hohen Preis. Unter anderem werden sie auf dem Rücken unserer Kinder ausgetragen. Wissenschaftliche Erkenntnisse unterschiedlicher Forschungsprojekte unterstreichen das. Kinder und Jugendliche haben leider keine Lobby. Darum ist es wichtig, dass wir als Gesellschaft Rechte von Kindern und Jugendlichen achten und dafür eintreten. Auch im eigenen Interesse, denn Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft.

Beteiligen sich die anderen Kitas im Kita-Verbund des Kirchenkreises auch an der Aktion?

Ja, der Aufruf ist an alle Einrichtungen des Kindergartenverbundes, den Jugendamtselternbeirat des Kreises Steinfurt und weitere Einrichtungen des Kreises sowie anderer Bundesländer gegangen. Wir hoffen, dass sich viele Bildungseinrichtungen anderer Träger anschließen. Auch Schulen und Ganztagsbetreuungen in den unterschiedlichen Orten wurden angesprochen.

Einige Elternbeiräte des Kindergartenverbundes haben bereits Rückmeldung gegeben, dass sie sich an der Aktion beteiligen, andere Elternbeiräte treffen sich noch, um darüber abzustimmen.

Wir hoffen dass möglichst viele Menschen sich der Aktion anschließen und sie mittragen. Nicht nur am 26. April 2023, sondern auch in Zukunft.

Wie wird die Protestaktion ablaufen?

Grundsätzlich ist jeder Einrichtung selbst überlassen, wie sie die Aktion gestaltet wird. Wichtig ist uns, dass möglichst viele Eltern und andere interessierte Bürger*Innen die Möglichkeit bekommen, eigene Forderungen zu formulieren. Dazu haben wir unterschiedliche Artikel der Kinderrechte in Bezug auf unsere Bildungspolitik hinterfragt und diese Fragen verschriftlicht. Auf diesem Bogen können Eltern Ihre Forderungen an die Politik formulieren. Die Elternräte senden diese Bögen an unseren Ministerpräsidenten Hendrik Wüst. Einrichtungen anderer Bundesländer haben wir gebeten, die Forderungen an den jeweiligen Ministerpräsidenten zu versenden. Wir hoffen, deutschlandweit interessierte Bildungseinrichtungen zu erreichen. Ziel ist, dass die Aktion deutschlandweit publik wird und so Mitstreiter*innen, Mitdenker*innen und Zukunftsweiser*innen findet.

Aus unserer Sicht hat Föderalismus in der Bildungspolitik nichts zu suchen, damit Kinder und Jugendliche bundesweit gleiche Voraussetzungen haben.

Wir schließen zudem nicht aus, an weiteren Terminen Aktionen durchzuführen, um auf Missstände in Bezug auf Bildungspolitik und Kinderrechte aufmerksam zu machen.

Radio RST hat zugesagt, unsere Eltern an diesem Tag zu begleiten und wir hoffen, dass der WDR und weitere Fernsehsender Interesse zeigen.

Interessierte Einrichtungen, Schulen, Ganztagsbetreuungen, Vereine etc. können uns per Mail über  protestfuerkinderrechte@gmail.com kontaktieren. Wir versenden die Unterlagen gerne auch per Mail und der Elternrat hat zudem einen Instagram-Account unter https://instagram.com/kinder_haben_rechte_protest?igshid=ZDdkNTZiNTM= eingerichtet.

Ein großes Dankeschön geht an alle Elternräte, die sich der Protestaktion anschließen und Eltern und weitere Bürger*Innen animieren, sich zu beteiligen und sich für Kinderrechte einzusetzen. Um Änderungen herbeizuführen, benötigt es eine breite Masse, die auf Missstände aufmerksam macht.  

Vermittlung von Kinderrechten gehört in den Kitas des Verbundes zum pädagogischen Konzept. Partizipation von Kindern und Eltern wird großgeschrieben. Im Zusammenhang mit der Protestaktion gestalten einige Kitas Plakate, die an den Kitas aufgehängt werden.

Wir freuen uns auf diese Aktion und hoffen, dass sich viele Menschen, in welcher Form auch immer, beteiligen und Lust haben, weitere Aktionen anzuschieben. So lange, bis Kinder Gehör finden und sich Rahmenbedingungen verbindlich ändern.

 

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Erstellungsdatum: 18.04.2023