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Welche Ziele verfolgt Wladimir Putin? - Eingehende Analyse von Hintergründen und Folgen des Ukraine-Krieges

Mit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine am 24. Februar 2022 hat der russische Präsident Wladimir Putin die europäische Sicherheits- und Friedensordnung massiv erschüttert. Mit dem eklatanten Verstoß gegen das Völkerrecht führt zum ersten Mal seit 1939 eine Großmacht in Europa einen Krieg, der auf Änderung bestehender Grenzen abzielt und die Souveränität eines Staates in Frage stellt.

„Krieg in der Ukraine – Fakten und Hintergründe, Auswirkungen und Ausblick“ lautete das Thema eines Vortrags von Miriam Kosmehl, den sie am 20. Mai 2022 im Dietrich-Bonhoeffer-Haus Westerkappeln hielt. Die Zuhörer bekamen Einblicke in die Ursachen des seit langem schwelenden Konflikts, der mit dem großangelegten offenen Krieg einen vorläufigen Höhepunkt erreicht hat. Begonnen habe dieser jedoch bereits im Jahr 2014 mit der Annexion der Halbinsel Krim und der russischen Offensive in der Ostukraine, erklärte Kosmehl. Die Folgen seien bis heute nicht absehbar.

Die Referentin hat mehrere Jahre in Kiew und Moskau gelebt. Sie erläuterte, dass der Angriff auf die Ukraine von innenpolitischen Problemen ablenken solle, denn das Putin-Regime biete den eigenen Menschen keine Zukunft. Die von ihm propagierte „Russische Idee“, die sich aus der Eigenständigkeit und Einzigartigkeit der russischen Kultur herleitet, begreift das Land als Antipode zum westlichen Fortschritt. Sie setzt auf russisch-religiöses, mystisches Denken, anstelle des „dem Westen“ zum Vorwurf gemachten diskreditierten Materialismus. Dies funktioniere besonders bei den alten Leuten auf dem Land noch sehr gut, in den Städten wendeten sich junge, gut gebildete Menschen von der russisch-orthodoxen Kirche ab und anderen Religionen zu, hat die Osteuropa-Expertin der Bertelsmann-Stiftung festgestellt. Die konservative Staatsdoktrin, bestehend aus den drei Elementen Autokratie, Orthodoxie und Volkstum, baue auf die historische „Leidensfähigkeit“ der russischen Gesellschaft.

Das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche sei eine Marionette des Kreml, so Kosmehl. Kyrill I. schrieb in einem im März 2022 veröffentlichten Brief an den Ökumenischen Rat der Kirchen, er sei fest davon überzeugt, dass die Urheber des Konflikts "nicht die Völker Russlands und der Ukraine sind, die durch gemeinsamen Glauben, gemeinsame Heilige und Gebete vereint sind und ein gemeinsames historisches Schicksal teilen". Damit weist er erneut dem Westen die Schuld am Ausbruch des Krieges zu. Der langjährige Putin-Berater Vladislav Surkov nannte Putin 2011 gar einen „Abgesandten Gottes“. In staatlichen russischen Medien wird hingegen zu Verbrechen gegen die ukrainische Bevölkerung und zur Vernichtung des selbständigen Staates aufgerufen.

Dass diese Propaganda besonders in ungebildeten Schichten auf fruchtbaren Boden fällt, bestätigte sich in der Diskussion. „Selbst russische Menschen, die schon lange in Deutschland leben, glauben uneingeschränkt den Informationen aus ihrem offiziellen Staatsfernsehen und sind für Gegenargumente nicht zugänglich“, erzählte eine Teilnehmerin. In Deutschland hätte man sich schon früher mit diesen Hetzsendern beschäftigen müssen“, betone Kosmehl. „Es müsste russische Übersetzungen unserer Nachrichten geben, um unsere Werte zu vertreten“, schlug Pfarrerin Adelheid Zühlsdorf-Maeder von der Evangelischen Erwachsenenbildung vor.

„Hätte eine Nato-Mitgliedschaft die Ukraine vor dem Angriff geschützt?“, fragte Frauke Helmich, Vorsitzende des Vereins Wabe Westerkappeln – Hilfe für Flüchtlinge und Zuwanderer. „Wahrscheinlich nicht, denn Putin interessiert sich nicht für Völkerrecht“, entgegnete die Referentin. Die faktenreiche Auseinandersetzung mit Hintergründen und globalen politischen Auswirkungen des Ukrainekrieges lieferte den Zuhörern zahlreiche Denkanstöße. Im Dietrich-Bonhoeffer-Haus kann die Ausstellung „Menschen & Rechte sind unteilbar“ noch bis zum 24. Juni 2022 zu den Öffnungszeiten besucht werden.

Der Filmabend am 2. Juni fällt aus. Der nächste Punkt im Rahmenprogramm ist das „Picknick der Kulturen“ auf dem Platz vor der Evangelischen Stadtkirche Westerkappeln mit Essen, Begegnung und Musik der Band „Confession“. Die Veranstaltung findet am 24. Juni ab 18 Uhr statt.

Text: Brigitte Striehn

 

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