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27. Abend der Diakonie: Streitfall Sterbehilfe – Wem gehört der Tod? Gottes Werk und des Menschen Beitrag

„Wem gehört der Tod?“ Um diese Frage drehte sich der diesjährige Abend der Diakonie auf Haus Marck in Tecklenburg.

Die Referenten des Abends, der ehemalige Präses der Ev. Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, und seine Frau Anne, diskutierten vor fast 100 Teilnehmenden das Thema des frei gewählten und assistierten Suizids aus ethisch-theologischer Perspektive.

„Ein Thema, das nur schwer über die Lippen und besonders schwer über die Seele geht“, so beschreibt es der Referent des Abends, Präses i.R. Nikolaus Scheider. Ein Thema, das die Meinungen spaltet, auch innerhalb der evangelischen Kirche. Auch Nikolaus Schneider und seine Frau Anne, Theologin im Ruhestand und ehemalige Lehrerin, sind sich bei der Beantwortung der Frage des Abends „Wem gehört der Tod?“ nicht gänzlich einig. Beim 27. Abend der Diakonie diskutierten die beiden die Frage, ob ein Suizid und dessen Assistenz vor Gott verantwortet werden könne. 

Die Existenz Gottes sei für das Ehepaar Schneider eine absolute Voraussetzung: Für beide sei weder das Leben noch der Tod ohne Gott möglich. Es ist die Theodizee-Frage, die das Thema zum Streitfall werden lässt: Wie kann ein guter, ein liebender und allmächtiger Gott das Leid in der Welt zulassen? Dieses Leid bedeutete für das Ehepaar Schneider den frühzeitigen Tod ihrer damals 22-jährigen Tochter, welche an Leukämie erkrankte und den Kampf gegen den Krebs verlor. In ihrem frühzeitigen Tod konnte auch das Ehepaar kein gutes Werk Gottes erkennen: „Gott ist offensichtlich auch für Glaubende kein Garant für ein gutes Sterben und einen guten Todeszeitpunkt“, so Anne Schneider. Ausschließlich auf Gottes Gnade zu hoffen, ihm „ausgeliefert“ zu sein, das entspreche weder Anne Schneiders Menschen- noch Gottesbild. Anne Schneiders Glaube hingegen folgt der Annahme, dass der Mensch als Ebenbild Gottes geschaffen wurde. Dies beinhalte auch die Fähigkeit, eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen und danach zu handeln - und das nicht nur im Leben, sondern auch in Bezug auf die Beeinflussung des eigenen Todes. 

Auch Präses i.R. Nikolaus Schneider kann in Krankheit und Tod keine Strafe Gottes oder Prüfung für die Angehörigen erkennen. Und dennoch ist er der Überzeugung, dass der Mensch sein Sterben nicht in den eigenen Händen habe. Im Gegensatz zu seiner Frau ist ihm diese Annahme aber ein Trost und keine Zumutung: „Gott hat und behält das letzte Wort über mein Sterben und meinen Tod. Das erschreckt mich nicht“, so Schneider. Im Gegensatz zu seiner Frau bedarf es für Nikolaus Schneider im Streitfall Sterbehilfe immer einer Einzelfallprüfung, Beihilfe dazu solle als „unmögliche Möglichkeit“ einer Extremsituation vorbehalten sein. Schneider ergänzt: „Die Spannung zwischen Menschen Wille und Gottes Autonomie wird sich im Tod mit meiner uneingeschränkten Zugehörigkeit zu Gott auflösen.“ In dieser Gewissheit könne er den Tod annehmen, auch wenn er dessen Zeitpunkt nicht mitbestimmen könne. Auf die Frage, wem der Tod nun gehöre, finden die beiden Referenten auch zu Ende der Debatte keine allgemeingültige Antwort. Am Ende des Abends finden beide Referenten Frieden in der Zuversicht, dass Gottes Liebe über den Tod hinausreiche und er die Menschen begleite, im Leben, im Tod und darüber hinaus. „In dieser Hoffnung können wir, und hoffentlich auch die Teilnehmenden des Abends, jeden Zweifel an Gott, aber auch Widersprüchliches, Fehlerhaftes und Fragmentarisches im irdischen Leben für sich annehmen“, so die Schneiders zum Ende der Debatte. 

Text: Pia Nimz, Diakonie WesT

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