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Fernab und unbemerkt leiden die indigenen Papua - Ein Abend von Kirchengemeinde Lotte und Bürgerstiftung über die Menschenrechte

Ein fast vergessenes Land stand an diesem Abend im Mittelpunkt, in dem unbemerkt von der Weltöffentlichkeit massiv die Menschenrechte verletzt und die indigene Bevölkerung, Missachtung, Ausgrenzung und Unrecht erfahren muss. Die Zuhörerinnen und Zuhörer im Gemeindehaus „Arche“ erlebten eine authentische Zeitzeugin der Geschehnisse in Westpapua, von denen kaum eine Nachrichtensendung berichtet.

Dr. Fransina Yoteni legte während ihrer Hinfahrt zur diesjährigen Tagung des Internationalen Rates der VEM auf der ostfriesischen Insel Borkum einen Zwischenhalt im Gemeindehaus „Arche“ in Alt-Lotte ein, um eindringlich die Diskriminierung und das damit verbundene Leid der indigenen Papua zu schildern. Die Professorin gab aber auch einen interessanten Einblick in ihre wissenschaftliche Arbeit an der Hochschule für Theologie und Religionspädagogik in Jayapura, einer Küstenstadt am Pazifik, die 1910 von den Niederländern unter dem Namen Hollandia gegründet wurde. Seit nun mehr 23 Jahren hält die von dort angereiste Referentin Vorlesungen und Seminare.

Eingeladen hatte sie Annette Salomo, Vorsitzende der Deutschen Region und Vizemoderatorin der VEM. Ein Kontakt, der den Besuch von Dr. Fransina Yoteni erst möglich gemacht hat. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit sind Frieden und Bewahrung der Schöpfung, zentrale Themen in einem konfliktträchtigen Land und einer bedrohten Natur von grandioser Schönheit und Vielfalt. Die Hochschule öffnete vor über 70 Jahren ihre Türen als Ausbildungsstätte für den theologischen Nachwuchs der Evangelischen Kirche von Westpapua. Die ca. 100 Studierenden kommen mehrheitlich aus Westpapua, wo sie dann auch in Gemeinden und Schulen tätig sind. Nur wenige von ihnen erhalten ein Stipendium, die meisten werden von Eltern und Verwandten unterstützt. Das entspricht dem indonesischen Bildungssystem, das keine staatliche Beihilfe kennt.

Die Absolventen übernehmen eine wichtige zivilgesellschaftliche Aufgabe, mit der sie ihr Christsein praktizieren: Sie sind Anwälte der Natur, sachkundig in Umweltschutzmaßnahmen und in der Friedensarbeit, trainiert in gewaltfreier Konfliktbearbeitung. Der bedrückende Hintergrund sind eine rücksichtslose Naturzerstörung und brutale Militäreinsätze. Seitdem die westliche Hälfte der Insel Neuguinea zu Indonesien gehört, werden Unabhängigkeitsbestrebungen im Keim erstickt. Durch eine von der Regierung manipulierte Scheinabstimmung, die ein regelrechtes Trauma ausgelöst hat, sollte die Besatzungsmacht legitimiert werden. Westpapua hatte nie eine realistische Chance, ein freies und souveränes Land zu werden.

Einer Delegation, die der Regierung Anliegen und Sorgen vorgetragen hat, wurden klare Grenzen aufgezeigt: „Ihr könnt alles fragen, aber fragt nicht nach Freiheit!“ Sie bleibt ein unerfüllter Wunsch, der durch staatliche Repressionen und auch brutale Gewalt unterdrückt wird. Verfolgung, Verhaftungen und Folter sind an der Tagesordnung. Trotzdem ist der Wille zur Unabhängigkeit ungebrochen. Das ist verständlich und nachvollziehbar – wie Dr. Yoteni darlegte. Denn mit der Eingliederung in den indonesischen Staat hat sich ein Apartheidsystem entwickelt, ein verächtlicher Umgang mit den Papua, die herablassend als „Affen“ bezeichnet werden. Manche Bilder, auf denen ein alltäglicher Rassismus in seinen übelsten Auswirkungen zu sehen war, riefen im Saal eine beklemmende Stille hervor.

Der Rassismus durchzieht fast alle Bereiche der Gesellschaft, wie Bildung, Sport, Arbeit, die sozialen Beziehungen und auch die Medien. In Filmen und Serien werden die Papua als rückständig und ungehobelt dargestellt. Eine populäre Comedyserie, so erzählte die Referentin, zeigt die Figur „Maria“ aus Papua, sie ist laut, unhöflich, ungebildet und cholerisch. Menschen ohne Wert und Würde, die der Regierung gleichgültig sind, weil sie mit ihren Besitzansprüchen vorrangig wirtschaftliche Interessen verfolgt. „Westpapua ist wie Honig, der Ameisen anlockt“, denn es verfügt über einen enormen Ressourcenreichtum mit den größten Kupfer- und Goldminen der Erde. Von diesem Reichtum, der 25% im indonesischen Staatshaushalt ausmacht, kommt aber so gut wie gar nichts bei den Papua an. Unter ihnen herrscht große Armut, eine völlig unzureichende Gesundheitsvorsorge und eine geringere Lebenserwartung. Und so wie die Bodenschätze geplündert werden, ist auch der riesige Regenwald durch anhaltende Abholzung bedroht, der durch den Anbau von Monokulturen, wie der profitablen Ölpalme, ersetzt wird.

Die durch den Landraub aus ihren Dörfern Vertriebenen verlieren ihre Existenzgrundlage. Derzeit befinden sich tausende Papuas auf der Flucht im eigenen Land. Sie erleben den schmerzlichen Verlust ihrer heimatlichen Erde, mit der sie seit Generationen verbunden sind, werden abgeschnitten von ihren kulturellen Wurzeln. In der Schule ist ihnen nicht einmal das Lernen in der eigenen Muttersprache erlaubt. Frau Yoteni spricht von einer „verlorenen Generation“. Nur die Kirche bietet ihnen noch einen Schutz und einen letzten Halt. Die Mission hat eine tiefe christliche Prägung hinterlassen, die bis heute spürbar ist und ihr Engagement für ein besseres Leben trägt, ein Leben in Gleichheit, Freiheit und Selbstbestimmung. Der indonesische Staat müsste das eigentlich garantieren, denn er hat die internationale Konvention zur Beseitigung von Rassendiskriminierung unterzeichnet. Aber Anspruch und Realität fallen weit auseinander.

Kooperationspartner der Veranstaltung war die Bürgerstiftung Lotte, die ein Zeichen setzen wollte für die Einhaltung der unveräußerlichen Menschrechte. Die Besucherinnen und Besucher wurden von Dr. Fransina Yoteni mit einem bisher unbekannten Brennpunkt konfrontiert. Mit einer großzügigen Spende wurde das „Westpapua Netzwerk“ unterstützt, dass Lobbyarbeit betreibt und auf das Schicksal der Papua aufmerksam macht. Aus dem Stiftungsrat bedankte sich Wolfgang Israel mit nachdenklichen Worten über die verhängnisvolle Wirkung einer gewinnorientierten Naturzerstörung, an der wir auch im globalen Norden mit unserer Lebensweise beteiligt sind. Es bewahrheite sich wieder einmal die bekannte Erfahrung, dass Geld die Welt regiert, dass Gewinne wichtiger sind als die Rechte der Menschen. „Ist es eine Geschichte der Hoffnungslosigkeit?“ Nein, es gibt keinen Grund zur Resignation.  Scheint doch ein Licht der Hoffnung durch den unermüdlichen Einsatz der Papua für die Menschenrechte und die christlichen Werte, die ihr Denken und Handeln bestimmen.

Info:

Die Evangelische Kirche in Westpapua ist 1855 von den Missionaren Karl W. Otto und Johann G. Geisler aus der Rheinischen Mission gegründet worden. Sie ist seit 1956 selbstständig und eine Mitgliedskirche der Vereinten Evangelischen Mission (VEM), einem Zusammenschluss von 38 Protestantischen Kirchen in Afrika, Asien und Deutschland und den von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel. Die VEM und die Evangelische Kirche von Westfalen sind beide Mitgliedsorganisationen im Westpapua Netzwerk, dass sich für den Schutz der Menschenrechte der indigenen Bevölkerung in Westpapua einsetzt.

Text: Detlef Salomo

 

 

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