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Frühzeitige Hilfe bei Demenz - Dr. Angela Grote-Reith referierte im Jakobi-Treff “Kirche und Welt“

„Demenz als gesellschaftliche und persönliche Herausforderung“ war im Februar das Thema im Jakobi-Treff „Kirche und Welt“ in Rheine. Als Referentin konnte Karl Wilms Dr. Angela Grote-Reith, Chefärztin der Med. Klinik IV – Geriatrie/Palliativmedizin in der Mathias-Stiftung Rheine, begrüßen.

Das gesellschaftliche Problem sei evident, so Grote-Reith: Heute seien etwa 1,6 Mio. Menschen in Deutschland an Demenz erkrankt. Bis zum Jahr 2050 werde sich ihre Anzahl auf 2,8 Mio. Erkrankte erhöhen. Die damit verbundenen Lasten würden von einem immer kleiner werdenden Teil der Bevölkerung zu tragen sein. „Die pflegenden Angehörigen, die 90 % der Krankheitslasten tragen, sind einem großen psychischen und physischen Druck ausgesetzt“, betonte sie.

Etwas zu vergessen oder liegen zu lassen, sei völlig normal, so die Chefärztin. Demenz als Symptomkomplex fange da an, wo es den Alltag beeinflusse: Das Gedächtnis lässt nach, Dinge werden verlegt, die räumliche Orientierung geht verloren, Personen werden nicht mehr erkannt, die Sprache verarmt, Worte werden nicht gefunden. Erkrankte verändern das Verhalten, werden unruhig, misstrauisch oder traurig, manchmal auch aggressiv. Der Alltag ist allein nicht mehr zu bewerkstelligen, Hilfe ist erforderlich.

Wie erkenne ich eine Demenz?

„Der erste Weg führt zum Hausarzt, der nach einer Anamnese verschiedene neuropsychologische Testungen durchführt und einen Neurologen hinzuziehen kann. Eine MRT (Magnetresonanztomographie) kann einen Verdacht bestätigen und eine Nervenwasserprobe diese Diagnose sichern. So ist es auch möglich, den Demenztyp zu ermitteln“ informierte die Referentin. Bei etwa einem Drittel der Demenzerkrankten handele es sich um eine Demenz vom Typ Alzheimer. Eine milde Demenz bilde oft die schwierigste Phase für die Angehörigen. Unsicherheit und Verlust der Selbständigkeit führten zu Verhaltensstörungen bis hin zu Persönlichkeitsveränderungen. Das Erkennen eigener Defizite mache traurig und unter Umständen auch aggressiv. Bei moderater Demenz bräuchten die Betroffenen Hilfe bei bereits einfachen Tätigkeiten. Schlafstörungen stellten sich ein, Verhaltensauffälligkeiten, Unruhe, Aggression nähmen zu. Bei einer schweren Demenz träten dann psychische Störungen auf. Es komme zu Depressionen, Wahnvorstellungen und Inkontinenz. Medikamente könnten den geistigen Abbau verzögern, aber nicht heilen. Eine passgenaue Medikation würde Verhaltensstörungen wie Unruhe oder Halluzinationen lindern.

Was können Angehörige für sich tun?

Grote-Reith konnte die medizinischen Faktoren mit eigenen Erlebnissen untermauern. Sie habe selbst gemerkt, wie schnell man trotz allen Wissens um die Krankheit an seine persönlichen Grenzen stoße, berichtete sie. Auch sie habe lernen müssen, frühzeitig Hilfe in Anspruch zu nehmen. Was können die Angehörigen für sich tun? Wichtig sei, sich frühzeitig und umfassend zu informieren. Es gebe ein breites Spektrum von Pflegestützpunkten, Angeboten der Wohlfahrtsverbände sowie Sozial- und Gesundheitsämtern. Auch Angehörigen- oder Selbsthilfegruppen würden dabei unterstützen, Erfahrungen auszutauschen und Sorgen zu teilen.

“Die Pflege eines demenzkranken Menschen kann dazu führen, dass Sie sich selbst überfordern. Viele Angehörige verzichten zum Beispiel auf Dinge, die ihnen lieb sind wie Freundschaften oder Hobbys. Es mag Ihnen egoistisch erscheinen, dass Sie Freude haben, während der Andere Ihre Unterstützung braucht“, sagte sie. Ambulante Pflegedienste könnten entlasten. Gegebenenfalls würden auch Angebote wie Betreuungsgruppen, Pflege- oder Wohngemeinschaften, Verhinderungs-, Tages- oder Kurzzeitpflege helfen.

Training für Angehörige schafft Entlastung

Zu Hause zu Leben sei bei Demenz möglich. Ein offener Umgang könne Verständnis im Familien- und Freundeskreis schaffen. Selbstverständlich müsse dann das Heim angepasst werden: Rauchmelder, viel Licht, Sicherheit am Herd und die Beseitigung von Stolperfallen gehörten dazu, aber auch ein GPS-Ortungsgerät. Bei Gesprächen seien der Blickkontakt und kurze, einfache Sätze wichtig. Habe der von Demenz betroffene Angehörige einen Wutausbruch, gelte es, ruhig zu bleiben. Angela Grote-Reith berichtete, es gebe spezielle Trainings für Angehörige, in denen diese lernten, wie man mit schwierigem Verhalten und seelischen Auffälligkeiten umgehe.

Neben allen individuellen Bemühungen und persönlichen Herausforderungen sei es eine gesellschaftliche Aufgabe, Strukturen zu schaffen, die auch bei einer Demenz Lebensqualität ermöglicht. Es sei ein Gradmesser einer Gesellschaft, wie sie sich um Kranke und Schwache kümmere.

Die sich anschließende lebhafte Diskussion zeigte, dass die zahlreichen Zuhörer an ihre eigene Wirklichkeit anknüpfen konnten. Sie dankten der Referentin mit herzlichem Applaus.

Text: Dr. Karl Wilms 

 

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