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Getroster Realismus im Blick auf die Zukunft ist gefragt - Bericht des Superintendenten André Ost zur Kreissynode

Der Bericht, den Superintendent André Ost (Ev. Kirchenkreis Tecklenburg) der Kreissynode am 12. Juni vorstellt, kann als kirchliche Zeitansage verstanden werden und erzählt von vielen positiven „Geschichten des Gelingens“ im Kirchenkreis.

„Zum Glück ist uns das immer noch möglich, die Erfahrung von Sinnhaftigkeit und Resonanz in unserer kirchlichen Arbeit zu machen“, sagt André Ost. Und dies trotz der schwierigen Entwicklungen und Herausforderungen, vor denen die Kirche mittlerweile steht.

Austrittsneigung hat den ländlichen Raum erreicht

„Es ist nicht zu verkennen, dass unser Gemeindeleben Abbrüche verzeichnet und weniger Menschen unsere Angebote nutzen“, sagt André Ost. Noch nie seien die Kirchenaustritte so hoch gewesen. 933 Menschen sind im Jahr 2022 im Kirchenkreis Tecklenburg aus der Kirche ausgetreten. „Erstmalig überstieg die Zahl der Austritte die Gemeindegliederverluste, die durch den demographischen Faktor bedingt sind“, führt der Superintendent aus. Die Austrittsneigung habe inzwischen auch den ländlichen Raum und die Diasporaregionen der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) erfasst. Als Gründe für den Kirchenaustritt würde laut einer Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) meist die finanzielle Ersparnis als zentrales Motiv genannt, eine gewachsene Gleichgültigkeit trete aber hinzu. „Viele, die austreten, haben den Kontakt zur Kirche schon lange verloren“, berichtet André Ost. 

Geschichten des Gelingens machen Mut zur Neuausrichtung der kirchlichen Arbeit

Der Kreissynode 2023 liegen Berichte aus den 17 Kirchengemeinden vor. „Die Gemeindeberichte erzählen von den oft mühsamen, aber auch beglückenden Erfahrungen im Wiederaufbau unserer Gemeinden nach der lähmenden Pandemiezeit“, so Ost. Es zeige sich, dass Kirche eben doch in erster Linie ein Ort der realen Begegnung sei, auch wenn die Gemeinden in der Pandemiezeit digitale Angebote gemacht hätten. In Neuenkirchen-Wettringen sei in der diesjährigen kreiskirchlichen Visitation viel Aufbruch zu erleben gewesen, ausgelöst durch ein aktives Presbyterium, das sich den Realitäten stelle. Rechtzeitig, bevor der Pfarrer im nächsten Jahr in den Ruhestand geht, wurden hier die Weichen Richtung Zukunft gestellt. In einem sog. Zukunftsteam wurde ein Versuch gestartet, die Gemeinde attraktiv zu halten, auch wenn ab 2025 weniger Pfarrdienst zur Verfügung steht. Eine Ehrenamtsoffensive wurde gestartet, neue inhaltliche Akzente gesetzt. Die Kirchengemeinde Ibbenbüren habe eine tragfähige Gemeindestruktur für die kommenden Jahre entwickelt, bevor sich der Bestand an Pfarrstellen demnächst auf drei reduziert. In diesem Zusammenhang wirbt der Superintendent für einen „getrosten Realismus“. Es gehe nicht darum, sich die Freude an der Gegenwart durch die Zukunftsprognosen der Jahre ab 2030 verderben zu lassen. „Aber die Entwicklungen, auf die wir erkennbar zulaufen, sollten wir bei allem, was wir jetzt unternehmen, immer im Kopf haben und rechtzeitig die Weichen dafür stellen“ unterstreicht Ost in seinem Bericht. „Das ist die Haltung, die wir unseren Gemeinden schuldig sind, für die wir heute tätig sind“.

Bemerkenswert sei das enorme Engagement der Kirchengemeinde Schale in der Flüchtlingshilfe, die in den letzten Jahren etliche Kirchenasyle durchgeführt hat. „Die kleinste Gemeinde des Kirchenkreises hat sich zu einem Schwerpunkt in der Flüchtlingsarbeit in der Landeskirche entwickelt“, führt der Superintendent aus. Erfolgreich habe sich das kreiskirchliche Netzwerk beim Runden Tisch Asyl und Integration und die Arbeit des Flüchtlingsbeauftragten Roland Wendland bewährt. „Als Kirche haben wir für den Einzelfall das besondere Privileg, durch das Instrument des Kirchenasyls auf die humanitären Schwächen in der Asylgesetzgebung hinweisen zu können“, macht der Superintendent deutlich. 

„Erfreut haben mich auch die Berichte von Gottesdiensten an besonderen Orten und zu außer-gewöhnlichen Zeiten“, berichtet er. Die Menschen dankten es meist mit positiver Resonanz. Gute Beispiele seien die Weihnachtsgottesdienste auf dem Kirchplatz in Ibbenbüren oder auf der Freilichtbühne in Tecklenburg, Sommergottesdienste im Pfarrgarten in Lotte, im Botanischen Garten und am Aasee in Ibbenbüren oder auf dem Campingplatz in Lengerich. „Verlassen wir unsere Kirchenmauern und bereiten das Besondere vor, strömen die Leute herbei. Was will uns das sagen? Und wie stellen wir uns darauf ein?“, fragt André Ost in seinem Bericht.

In einem sogenannten „Think Tank“ auf Gestaltungsraumebene (Kirchenkreise Tecklenburg, Münster und Steinfurt-Coesfeld-Borken) denken die Beteiligten kirchenkreisübergreifend darüber nach, was zukünftig in gemeinsamer Verantwortung besser getragen werden kann. „Der Bestand unserer Gemeinden und des Kirchenkreises“, so Ost, „hängt davon ab, ob wir auch in Zukunft genügend Menschen finden, die sich in die Verantwortung rufen lassen. Es gelte, sich mit unliebsamen Realitäten auseinanderzusetzen und den Bestand der Kirche auf eine Zukunft auszurichten, die weniger komfortabel sein wird als in den vergangenen Jahrzehnten, machte der Superintendent deutlich.

Erfreulich sei die Bewegung, die durch die Einrichtung der Kooperationsräte in den vier Regionen des Kirchenkreises erzeugt worden sei. „Die Erkenntnis, dass wir viele Probleme - von der Personalplanung über die Verwaltung bis hin zur Frage der Gebäudestruktur - nur lösen können, wenn wir uns vernetzen und stärker aufeinander beziehen, beginnt zu wirken. Sie lässt uns nachbarschaftlicher denken und handeln“, unterstreicht der Superintendent. Mit den Kooperationsräumen verbinde sich auch der Gedanke der Zusammenarbeit in Interprofessionellen Pastoralteams (IPT). In diesen Teams werden zukünftig pastorale Aufgaben im Miteinander von Pfarrerinnen und Pfarrern sowie Diakon/-innen, Jugendreferent/-innen, Gemeinde-pädagoginnen und -pädagogen oder Mitarbeitenden aus Kirchenmusik und Verwaltung/Organisation wahrgenommen. „Hier sind Erprobungsräume auf Kirchenkreisebene notwendig“, so Ost.

Der Superintendent plädiert dafür, sich in der eigenen Arbeit durch den gesellschaftlichen Megatrend der Entkirchlichung nicht entmutigen zu lassen: “Wir sollten viel lieber eine Achtsamkeit behalten für das, was uns ein Gefühl von Resonanz und Relevanz verschafft. Und das sind nach wie vor nicht wenige Dinge“, sagt er. „An vielen Stellen machen wir als Kirche eine richtig gute Arbeit“, macht Ost klar. Beispielhaft nennt er die Arbeit der 27 Kitas im Verbund sowie die Diakonie. „Wir machen Glauben erlebbar und fördern kirchliche Gemeinschaft – im Nahbereich des Wohnorts ebenso wie punktuell an anderen kirchlichen Orten, sei es in der Jugendarbeit, in der Erwachsenenbildung oder in der Seelsorge,“ unterstreicht Ost. Der Kirchenkreis müsse auch diesen überörtlichen Wirkungsbereich von Kirche im Blick behalten.

„Wir sind immer noch eine Kirche mit vielen Möglichkeiten“ unterstreicht André Ost. Ihre Lebendigkeit sei nicht allein von äußeren Ressourcen abhängig. Sie lebe vielmehr von den inneren Ressourcen ihrer Glaubenskraft und dem Geschenk des Geistes Gottes. „Der Blick in unseren Partnerkirchenkreis Otjiwarongo (Namibia) zeigt uns das. Was dort gerade an Aufbruch geschieht, ist eine große Ermutigung auch für uns“, meint André Ost. Derzeit ist eine Delegation des Partnerkirchenkreises Otjiwarongo im Kirchenkreis Tecklenburg zu Gast. Die Gruppe wird im Rahmen der Kreissynode über Projekte aus ihrem Kirchenkreises berichten. Die Geschichte von der Berufung des Propheten Jesaja (Jesaja 6, 8-13) vermittle die Botschaft, sich trotz schwieriger Rahmenbedingungen und Negativprognosen nicht entmutigen zu lassen, sondern unverdrossen weiterzumachen und bei der Sache zu bleiben: „Auftragsbewusst, leidenschaftlich, widerständig - mit einem getrosten Realismus“, sagt der Superintendent im Blick auf die Zukunft. 

Den kompletten Wortlaut des Superintendentenberichts finden Sie hier:

https://www.kirchenkreis-tecklenburg.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Superintendentenbericht_Sommersynode_2023.pdf

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