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„Jede Geschichte hat ihre Vorgeschichte“- Exkursion des Jakobi-Treffs „Kirche und Welt“ zu den Emslandlagern

Einen Einblick in die unterschiedlichen Facetten deutscher Geschichte bekamen die Teilnehmenden des Jakobi-Treffs „Kirche und Welt“. Die erste Exkursion nach zwei Jahren Corona-Pause führte sie nach Neugnadenfeld ins Emsland.

Die 15 Emslandlager bestanden von 1933 bis 1945. Insgesamt waren hier etwa 80.000 KZ-Häftlinge und mehr als 100.000 Kriegsgefangene interniert und erlitten grausamste Behandlungen. Die Lager hatten alle eine gleiche Struktur und orientierten sich an dem ersten Lager Börgermoor in der Nähe von Papenburg. Hier entstand auch das Lied „Wir sind die Moorsoldaten“, das nach einmaliger Aufführung zwar sofort verboten wurde, aber dennoch als Widerstandlied den Weg durch die Lager fand. Im Zuge des Vormarsches der alliierten Truppen wurden die Lager im April 1945 befreit. Ca. 40.000 „Displaced Persons“ hielten sich nach Kriegsende im Emsland auf.

Historiker Martin Koers, Geschäftsführer der Stiftung Gedenkstätte Esterwegen, machte in seinem Vortrag deutlich, dass die Zustände in den Lägern, besonders nach 1939 durch das Eintreffen von Kriegsgefangenen aus Russland, der Bevölkerung nicht verborgen geblieben sein konnte. Andererseits nehme er heute ein großes Interesse der jüngeren Generation wahr. Nicht nur die jungen Menschen aus dem Ausland fragten nach den Opfern, auch junge Leute aus Deutschland stellten die Frage nach den Tätern. „Die Zeit der Sprachlosigkeit und der Verdrängung scheint vorbei“, so Koers.

Im zweiten Teil der Exkursion ging es um die Ansiedlung der Herrnhuter Brüdergemeine, der 1946 das Lager Alexisdorf als Ansiedlungsort nach der Vertreibung aus den deutschen Ostgebieten zugewiesen wurde. Die Herrnhuter Brüdergemeinde ist eine aus der böhmischen Reformation (Böhmische Brüder) kommende überkonfessionelle christliche Glaubensbewegung, die vor allem vom Pietismus, aber auch vom Calvinismus und stark vom lutherischen Protestantismus geprägt wurde. Sie ist der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) angegliedert und zugleich Gastmitglied in der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF).

„Die erste Zeit in den ehemaligen Baracken war hart“, so Christhof Pasternak, Vorsitzender des Vereins Lagerbereich Alexisdorf-Neugnadenfeld. Da viele der Vertriebenen aus der Landwirtschaft gekommen seien und Arbeitskräfte knapp waren, habe es deutlich weniger Reibungen zwischen den Eingesessenen und den Vertrieben als in anderen Teilen Deutschlands gegeben. Auch Spenden aus der internationalen Brüdergemein, insbesondere aus Schweden und den Niederlanden, hätten über die Notzeiten hinweggeholfen. Heute gehöre etwa ein Drittel der 700 Einwohner Neugnadenfelds der Brüdergemeine an, die rund eine Mio. Mitglieder in allen Teilen der Welt hat.

Ein Besuch des Kriegsgräberstätte Grossringe/Neugnadenfeld führte noch einmal in die Vorgeschichte des Ortes. Hier sind etwa 600 unbekannte russische Kriegsgefangene, die an Unterernährung und Epidemien verstarben, in Massengräbern beigesetzt worden.

Zum Abschluss der Exkursion gab es bei Kaffeetrinken in Kloster Frenswegen noch reichlich Gelegenheit, die Eindrücke mit persönlichen Erfahrungen der Eltern- und Großelterngeneration aufzuarbeiten. Abschließend waren sich alle Teilnehmenden einig: Man muss die Geschichte kennenlernen, damit sie sich nicht wiederholt.

Weitere Infos unter: https://www.gedenkstaette-esterwegen.de/

Text: Dr. Karl Wilms

 

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