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Lesung „Tschüss sagen ist was anderes“ bewegt die Zuhörer

„Tschüss sagen ist was anderes“, das haben die Autoren des gleichnamigen Buches am eigenen Leib erfahren. Auf Einladung der evangelischen Erwachsenenbildung im Kirchenkreis Tecklenburg und des Vereins Wabe Westerkappeln lasen drei der fünf jungen Männer aus Syrien Ende März im Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Westerkappeln. An ihrer Seite waren Maria Brümmer-Hesters und Dorothee Eßer-Mirbach, die das Projekt als Herausgeberinnen begleitet hatten.

Serdar, Omar und Watan er-zählen von sich, lassen die vergangenen Jahren Revue passieren. In ihren Lebensgeschichten geht es um Angst und Verzweiflung, Verfolgung und Folter, aber auch um Hoffnung, Mut, einen starken Willen und nicht zuletzt um Glück und Dankbarkeit.

Ihre Familien haben sie im von Krieg und Diktatur zerstörten Syrien zurücklassen müssen. Ob, und wenn ja, wann sie sie wiedersehen werden, wissen sie nicht. Hinzu kommt, dass sie nicht einmal allen Tschüss sagen konnten, als sie sich zum Teil Hals über Kopf auf den Weg machen mussten.

„Tschüss sagen“, das klinge so, als käme man bald zurück, ist den drei jungen Männern bewusst. Während sie die Chance nutzen, im Münsterland anzukommen, heimisch zu wer-den, sind sie in ständiger Sorge um Eltern, Geschwister, Freunde. Und sie haben Respekt vor allen, die noch in Syrien sind und denen es gelingt, trotz schwierigster Bedingungen die zivile Gesellschaft halbwegs am Laufen zu halten.

Die 22- bis 28-Jährigen gaben einen bewegenden Einblick in ihre Flucht aus der Heimat und in ihre Ankunft im Münsterland. Viele der Besucher im Dietrich-Bonhoeffer-Haus verfolgten die Ausführungen der jungen Männer mit einem Kloß im Hals, einige mit Tränen in den Augen.

Dabei hatten sie Glück, alle fünf. Nicht nur weil sie körperlich unversehrt in  Deutschland angekommen sind, sondern auch weil sie in Emsdetten im Sprachkurs von Dorothee Eßer-Mirbach gelandet sind, die sich gemeinsam mit Maria Brümmer-Hesters nach vielen Gesprächen sowie Proben im internationalen Menschenrechte-Chor für das Buchprojekt stark gemacht hat.

Die beiden Herausgeberinnen sind es auch, die aus den Lebensgeschichten von Amer und Hammam lesen. Sie waren in Westerkappeln nicht dabei, weil sie arbeiten mussten.

Arbeit zu haben bedeutet für die jungen Syrer Glück, allerdings nicht nur. Es ist auch ein ganzes Stück harter Arbeit und ein beschwerlicher Weg, der mit dem Erlernen der deutschen Sprache begonnen hat und mit der Nichtanerkennung von syrischen Schul-, Ausbildungs- und Universitätszeugnissen noch lange nicht aufhört. Die 22- bis 30-Jährigen konnten Fuß fassen, und sie bleiben weiter am Ball. „Ich will und muss mich hier zurecht finden“, macht Watan deutlich, was ihn und die anderen antreibt. Sie wollen bleiben, haben inzwischen einen Aufenthaltstitel für zunächst drei Jahre.

„Wir leben zwei Leben, der Körper ist hier, der Verstand ist anderswo“, versuchen die jungen Männer in Worte zu fassen, dass sie trotz allen Glücks, selber in Deutschland leben dürfen, Angst um ihre Familien in Syrien haben.

 Trotz der emotionalen  Belastung und der Erinnerungen an alles, was sie in den vergangenen Jahren durchgemacht haben, stellen sie sich den Fragen der knapp 40 Besucher. Und sie äußern Wünsche. Es sei schade, wenn „die Flüchtlinge“ alle über einen Kamm geschoren würden. Sie selber sehen sich als „Menschen aus einem anderen Land“, die eine Flucht hinter sich haben, einen Namen haben und in Deutschland wohnen.

Darüber sind sie glücklich. Zu diesem Glück kommt für das Trio jede Menge Dankbarkeit. Dass sie die Chance bekommen haben, gemeinsam mit Maria Brümmer-Hesters und Dorothee Eßer-Mirbach das Buchprojekt umzusetzen. Die Herausgeberinnen ihrerseits sind dankbar, dass sie so tief in die persönlichen Schicksale der jungen Syrer eintauchen durften.

Auch Frauke Helmich vom Verein Wabe Westerkappeln dankte Serdar, Omar und Watan für den intensiven Einblick in ihre Lebensgeschichten.

„Tschüss sagen ist was anderes“ ist im Druckhaus Tecklenburg in Steinfurt erschienen.

Text: Dietlind Ellerich

 

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