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„Seelsorge in Extremsituationen war immer schon mein Ding“ - Interview mit Pfarrer Jörg Zweihoff, dem neuen Synodalbeauftragten für Notfallseelsorge

Die Synode des Kirchenkreises Tecklenburg hat Pfarrer Jörg Zweihoff (Kirchengemeinde Ibbenbüren) am 27. November 2023 zum Synodalbeauftragten für Notfallseelsorge gewählt. Er tritt damit die Nachfolge von Pfarrerin Miriam Seidel an, die den Kirchenkreis im vergangenen Jahr verlassen hat.

Jörg Zweihoff ist bereits seit 2008 Synodalbeauftragter für die Seelsorge in Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz. Öffentlichkeitsreferentin Christine Fernkorn interviewte ihn zu seiner neuen Aufgabe. Schon im Gespräch ist ihm abzuspüren, dass er für seine Aufgabe brennt und ihm die Arbeit der Seelsorge in Extremsituationen ein Herzensanliegen ist.

Wenn Sie Notfallseelsorge kurz und prägnant beschreiben müssten, wie würden Sie dies tun?

Notfallseelsorge ist Erste Hilfe für die Seele.

Was ist Ihnen im Blick auf die Seelsorgearbeit wichtig?

Seelsorge in Extremsituationen war immer schon mein Ding. Meine Diplomarbeit habe ich zum Thema „Das ICH und Abwehrmechanismen der Angst in der tiefenpsychologischen Psychologie nach Siegfried und Anna Freud“ geschrieben. Damit fing alles an: Ich arbeitete in der Telefonseelsorge in Bremen und Münster. Ich habe den schönsten Beruf der Welt als evangelischer Pfarrer. Meine Aufgabe ist die Seelsorge und am liebsten das „harte Vollkornbrot der Seelsorge“, die Begleitung von Menschen in Extremsituationen. Das heißt zum Beispiel die Trauerbegleitung, ein Paar in der Verzweiflung nach der Totgeburt ihres Kindes seelsorglich zu begleiten oder Angehörigen eine Todesnachricht zu überbringen. Es geht auch darum, Kameraden beizustehen, die gruselige Erlebnisse bei Einsätzen erlebt haben. Ich habe für mich gelernt: Nur wer redet, dem kann geholfen werden.

Welche Aufgaben liegen Ihnen in diesen Arbeitsbereichen besonders am Herzen?

Mein Herz schlägt für die Psychosoziale Unterstützung für Einsatzkräfte und deren Angehörige (PSU). Diese Arbeit ist mir wichtig. Ich bin in der Feuerwehr Ibbenbüren in den letzten 20 Jahren vom Pfarrer Zweihoff zum Kameraden Jörg geworden. Niemals vergessen werde ich im Jahr 2006 den Einsatz bei der Firma Kindermann in Ibbenbüren. Es hat dort gebrannt, vier Feuerwehrleute sind reingegangen, um zu löschen. Ein Kamerad kam nicht wieder raus, er ist im Einsatz gestorben. 2019 explodierte ein Wohnhaus in Lienen, ein Kamerad kam ums Leben. Wir veranstalteten einen Blaulichtgottesdienst in der Reithalle. Über 2200 Kameradinnen und Kameraden aus ganz NRW kamen, um von Stefan Abschied zu nehmen. Ich hielt die Predigt und war vorher ein wenig nervös. Für das Unfassbare tröstende Worte und Musik zu finden war eine Herausforderung. Die Kameradschaft trägt durch diese dunklen Stunden hindurch. Das unterscheidet uns vom Kaninchenzüchterverein. Meine Kameraden wissen, dass sie mit mir jederzeit reden können. Ohne regelmäßige Supervision könnte ich diese Arbeit so nicht leisten. Das brauche ich für mich, um auch schwierige Eindrücke zu verarbeiten.  

Wie muss ich mir Ihren Aufgabenbereich als Fachberater Seelsorge und Leiter des PSU-Teams vorstellen?

Ich bin Leiter des Teams der Psychosozialen Unterstützung für Einsatzkräfte (PSU) im Kreis Steinfurt und Kreisbeauftragter PSU des Kreises Steinfurt. Meine Aufgaben liegen darin, Einsatzkräfte zu schulen und auf die möglichen psychischen Belastungen und deren Folgen sowie den „gesunden“ Umgang damit vorzubereiten. Mein Team und ich betreiben sie Einsatznachsorge und Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen. In Einsätzen berate ich den Einsatzleiter und leite in Absprache mit ihm notwendige psychosoziale Unterstützungsmaßnahmen ein. Nach solchen Einsätzen biete ich den Kameraden Entlastungsgespräche an. Ich trage im ständigen Kontakt mit den betroffenen Einsatzkräften dafür Sorge, dass sie einen belastenden Einsatz gut verkraften. Wenn notwendig, begleite ich hierbei auch die nächsten Angehörigen. Unsere Tätigkeit ist Teil des psychologischen Arbeitsschutzes. Für uns ist ein Einsatz erst dann beendet, wenn es den Einsatzkräften wieder gut geht.   

Wer unterstützt Sie in Ihrer Arbeit?

Als Leiter des PSU-Teams bin ich jetzt nicht mehr für alles allein zuständig. Wir haben ein neues Leitungsgremium installiert und zu meiner künftigen Unterstützung brauche ich acht ausgebildete PSU-Assistenten. Der Kreis Steinfurt übernimmt die Kosten der Ausbildung zum PSU-Assistenten. Menschen, die die Ausbildung zum Notfallsanitäter, Rettungssanitäter oder Rettungsassistenten absolvieren, werden an der Akademie für Gesundheitsberufe am Mathias-Spital in Rheine in den Themen PSU und SbE unterrichtet. Ich schule sie in den Themen Stressbewältigung nach belastenden Einsätzen (SbE) und der Einsatznachsorge nach PSU. Außerdem doziere ich am IDF, dem Institut der Feuerwehr NRW in Münster und bin Fachberater Seelsorge der Feuerwehr Ibbenbüren. Für meine Aufgabe bei der Feuerwehr war die Voraussetzung, dass ich die Truppmannausbildung absolviere. Ich bin ausgebildeter Feuerwehrmann im Rang eines Hauptfeuerwehrmannes. Im Oktober 2023 haben wir die Zertifizierung als SBE-Regionalgruppe Münsterland erhalten. Das ist der „Ritterschlag der Einsatznachsorge“.

Seit wann sind Sie in den Bereichen Notfallseelsorge und Seelsorge in Feuerwehr und Rettungsdiensten unterwegs?

Ich bin seit 25 Jahren in diesen Bereichen tätig. In diesem Jahr habe ich mein 25-jähriges Ordinationsjubiläum gefeiert. Meine erste Gemeinde war in Senden im Kreis Coesfeld. Ich habe damals das Konzept der Notfallseelsorge für den Kreis Coesfeld mit aufgebaut und entwickelt. Aktuell stellen wir im Kreis Steinfurt mit einem PSU-Team aus ca. 50 ehrenamtlichen PSU-Helfern und dem Leitungsgremium die 24-stündige an 365 Tagen im Jahr über die Leitstelle erreichbare Rufbereitschaft sicher.

Wie stellen Sie sich die Arbeit in der neuen zusätzlichen Synodalbeauftragung für die Notfallseelsorge künftig vor und wofür werden Sie da genau zuständig sein?

Ich bin gebeten worden, mein Wissen und meine Erfahrung sowie das Kontaktnetz aus Feuerwehr und Rettungsdienst in die Notfallseelsorge (NFS) einzubringen und arbeite deshalb im Leitungsteam NFS Steinfurt mit. Ich freue mich schon auf die Ausbildung der Neuen NSF’ler und die Zusammenarbeit mit dem Leitungsteam. Die Zuständigkeiten klären wir noch miteinander.

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