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Superintendent i.R. Hans Werner Schneider referiert in Pfarrkonferenz über das „Tecklenburger Bekenntnis“

Vor 90 Jahren - im Sommer 1933 – wandte sich die Kreissynode des Kirchenkreises Tecklenburg gegen die Überfremdung der Kirche durch die nationalsozialistische Ideologie und die Kirchenpolitik des NS-Staates. Superintendent i.R. Hans Werner Schneider referierte vor der Pfarrkonferenz des Kirchenkreises über die geschichtlichen Hintergründe und die Inhalte des Tecklenburger Bekenntnisses.

Die Pfarrkonferenz traf sich in Lengerich-Hohne, wo Wilhelm Brandes damals Pfarrer war, der Mitverfasser des Tecklenburger Bekenntnisses war und 1934 Superintendent der Bekennenden   Kirche des Kirchenkreises Tecklenburg wurde.

Schneider führte in seinem Vortrag einleitend in die politische Lage im Sommer 1933 ein, weil das Tecklenburger Bekenntnis in die Zeitsituation hineinspricht und die geschichtliche Situation seinen Inhalt verstehen lässt. Er schilderte, wie stark die Machtergreifung Hitlers und die Propaganda der NSDAP die Lebenswelt der Menschen bestimmte und wie durch Gesetze und Anordnungen in kurzer Zeit der Staat zum „totalen Staat“ wurde. Zwar hatten Hitler und die NSDAP von „positivem Christentum“ gesprochen, aber dann wurde immer deutlicher, dass die „Gleichschaltung“ der Kirche Ziel des Staates wurde. In Preußen, zu dem die damalige Provinz Westfalen gehörte, war es zu einem dominanten Eingriff des preußischen Staates in die Kirche durch das „Staatskommissariat“ August Jägers gekommen.

Nach der Einleitung zur politischen und kirchlichen Lage im Frühsommer 1933 wurde die Entwicklung im Kirchenkreis Tecklenburg und seiner Gemeinden geschildert. Dabei wurde auch auf die Ergebnisse der Kirchenwahlen eingegangen, die am 23. Juli 1933 stattfanden.

In dieser Zeit trafen sich sieben jüngere Pfarrer aus dem Kirchenkreis zu einer Arbeitsgemeinschaft, um die Lage in Kirche und Staat miteinander zu erörtern und sich über den Weg der Kirche auszutauschen. Sie kamen zu der Überzeugung, nicht schweigen zu können, sondern Stellung beziehen zu müssen. So erarbeiteten sie eine Stellungnahme, die sie der zum 13. August 1933 nach Ibbenbüren einberufenen Kreissynode vorlegen wollten.

Schneider nannte ihre Namen und ging auch auf ihre kritische Haltung zum NS-Staat ein. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe waren Wilhelm Brandes (Lengerich), Karl Pabst (Kattenvenne), Hans Rübesam (Lengerich), Karl Schmitz (Ladbergen), Otto Smend (Lienen), Walter Thiemann (Tecklenburg), Dr. Johannes Wilkens (Lienen). Walter Thiemann, später Pfarrer in Gronau, wurde im Konzentrationslager Buchenwald interniert.

Der Arbeitskreis hatte die Hoffnung, dass die Kreissynode ihren Stellungnahmen zustimmen würde und sie an die westfälische Synode weiterleiten würde, was tatsächlich geschah. Sie hatten sogar die Hoffnung, dass Impulse ihrer Stellungnahme auch die Synode der preußischen Landeskirche erreichen würde.

Nach diesem einführenden Teil wurde der Blick auf den Inhalt des Tecklenburger Bekenntnisses gerichtet. Im ersten Teil geht es um das Bekenntnis. Der Text der Arbeitsgemeinschaft macht eindringlich klar: Es geht um ein „lebendiges Bekenntnis in der Bekenntnisstunde“, also in der damaligen aktuellen Situation mit ihren Herausforderungen. Das Bekenntnis ist die Substanz der Kirche, es muss den Inhalt des Glaubens klar zur Sprache bringen. Es geht um die „Wahrheitsfrage“, nicht um einen „Kompromiss“ mit den jeweils herrschenden Überzeugungen der Zeit. Gegen die „Zeitenwende“ von der damals in der Propaganda die Rede war, geht es im Glauben um die „Kreuzeswende“, also um die Botschaft von Jesus Christus.

Die Stellungnahme ermutigt dazu, eine bekennende Kirche zu sein. Wie aber kann die Kirche, in der im Sommer 1933 die der NS-Ideologie nahestehende „Glaubensbewegung der Deutschen Christen“ zunehmend Sympathisanten und Mitglieder gewann, eine bekennende Kirche sein? Dafür macht die Stellungnahme einen Vorschlag. In der Gemeinde braucht es einen lebendigen Kern derer, die sich zum Glauben bekennen und die Verantwortung für den Weg der Gemeinde wahrnehmen. Die am Bekenntnis orientierten Gemeindeglieder findet der Text in der „Abendmahlsgemeinde“.  Denn alle am Abendmahl Teilnehmenden legen zuvor ihr Glaubensbekenntnis ab und stimmen damit seinem Inhalt zu. Die Abendmahlsgemeinde verstehen die Verfasser des Tecklenburger Bekenntnisses nicht als eine abgegrenzte Sondergemeinde, sondern als Verantwortungskern in der Gemeinde. Aus ihr werden die Mitglieder des Presbyteriums gewählt. Die Mitglieder des Presbyteriums haben die Leitungsaufgabe der Gemeinde und übernehmen Besuchsdienste in den Gemeindebereichen, die ihnen zugeteilt werden. Und in der Abendmahlsgemeinde werden zudem „Helfer“ für verschiedene Aufgaben im Gemeindeleben gefunden. Wichtig ist dem Tecklenburger Bekenntnis, dass die Kirche offene Volkskirche aller Getauften ist, sie aber nicht zur „Volks“-Kirche im Sinne der völkischen NS-Ideologie wird, was den Ausschluss aller Menschen jüdischer Herkunft zur Folge haben würde, wogegen ausdrücklich Stellung genommen wird.

Einen Schwerpunkt hat das Tecklenburger Bekenntnis in seinen Aussagen zum Staat – Kirche Verhältnis. Der Staat wird in seinen Aufgaben, durch seine Ordnung für Recht und Frieden zu sorgen, bejaht. Aber sehr deutlich wird dem „totalen Staat“ widersprochen. Der totale Staat, so sehen es die Verfasser des Tecklenburger Bekenntnisses klar, will über den Menschen bis in sein Inneres hinein herrschen und die Kirche als sein Instrument dafür benutzen. Angesichts der Staatsdominanz über alles gesellschaftliche Leben betont das Tecklenburger Bekenntnis, dass der Staat seine Grenze an der Kirche findet, aber nur an einer Kirche, die aus ihrem Bekenntnis lebt.

Interessant ist es, so der Referent, wie das Tecklenburger Bekenntnis die damals beanspruchte Totalität des Staates mit einer Zeitdiagnose verbindet. Der Mensch ist zum „Riesenmenschen“ geworden, der seine Macht durch wissenschaftlich-technische Mittel so gesteigert hat, dass er in der Entfremdung lebt und gerade dadurch jenen Ideologien verfällt, die sich als Retter und Erlöser anbieten.

Zum Schluss nimmt das Tecklenburger Bekenntnis Stellung zur damals viele beeindruckenden „Lehre“ der Deutschen Christen und macht theologisch klar, wie sehr dadurch Inhalte des Glaubens verzerrt werden. So ist nach den Deutschen Christen Jesus Christus nicht mehr Gottes Offenbarung, sondern ein heldischer Mensch aus der biologischen Menschheitsentwicklung, und das Leben im Glauben wird zur Perfektion menschlicher Kraft. Klar wird, wie sehr die „Lehre“ der Deutschen Christen den biblischen Inhalt durch Anpassung an das Menschenbild der NS-Ideologie preisgab.

Die Stellungnahme, die die Arbeitsgemeinschaft der sieben Theologen im Kirchenkreis Tecklenburg – dazu unter großem Zeitdruck - erarbeiteten, wurde von der Kreissynode einstimmig angenommen. Das war angesichts der Lage im Sommer 1933 alles andere als eine Selbstverständlichkeit, betonte Schneider zum Schluss. Wenn der große Theologe Karl Barth und Impulsgeber der Bekennenden Kirche 1933 mit Recht sagte, „im Sommer, als es darauf ankam, wurde fast allgemein geschwiegen oder mit den Wölfen geheult“, so kann man feststellen, dass die Verfasser des Tecklenburger Bekenntnisses nicht geschwiegen und nicht mit den Wölfen geheult haben.

 

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