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Die Liebe der Menschen und die Liebe Gottes sind nicht voneinander zu trennen - Abend zum Hohelied der Liebe in Kattenvenne

Ein violettes Samttuch ist in der Mitte des Kattenvenner Gemeindehauses ausgebreitet, darauf ein weißes Herz und die Bibel, von vielen Kerzen umgeben. Etwa 35 Besucher sitzen in einem Stuhlkreis drumherum und betrachten die romantische Szenerie. Romantik, das ist ein Teilaspekt des Gesprächsabends am vergangenen Montag, der im Rahmen der Ökumenischen Reihe das biblische Hohelied der Liebe genauer unter die Lupe nahm.

Pfarrerin Verena Westermann, begeistert über die hohe Teilnehmerzahl, will zu Beginn wissen, welche Vergleiche für die geliebte Person die Besucher kennen oder auch selbst verwenden. Von den Standards wie „Schätzchen“ oder „Liebchen“ über „Muckel“ bis zu ausgefallenen Kreationen wie „Herzensmöpschen“ oder einem augenzwinkernden „meine Alte“ reicht die Palette der Kosenamen. „Am Anfang sind es meist kleine Tiere, die werden mit der Zeit dann immer größer“, scherzt ein Besucher. Der Bogen von diesem Einstieg hin zum alttestamentarischen „Lied der Lieder“ fällt nicht schwer: das im 3. Jhdt. v. Chr. entstandene, mit dem legendären König Salomo in Verbindung gebrachte Werk strotzt nur so vor orientalischer Bildhaftigkeit. Beim gemeinsamen Lesen einzelner Verse regt die lyrische Sprache Diskussionen an: viele sind erstaunt, wie heißblütig Liebe hier beschrieben wird. Auch darüber, dass es keine Rangordnung zwischen Mann und Frau gibt, sondern ein harmonisches, völlig unbefangenes Zusammenspiel von Lieben und Zurücklieben, ein ehrfurchtsvolles Verlangen auf beiden Seiten. Manchen geht das schon etwas zu weit. „Da ist von Schwarzbrot nicht die Rede“, meint ein Besucher stirnrunzelnd und verleiht so seiner Meinung Ausdruck, dass das Hohelied kaum repräsentativ für die meisten Beziehungen sei. Andere hingegen sind der Meinung, dass dort Vergleiche genutzt würden, die den Partner auch heute noch beglücken könnten. Die eigentlich moderne Erkenntnis, dass Leib und Seele untrennbar miteinander verbunden sind, fasziniert vor dem Hintergrund der Entstehungszeit.

Vom Inhalt her ähnlich, in seiner Ausdrucksweise aber ganz anders erscheint das Hohelied im Neuen Testament, eine Antwort des Apostels Paulus auf Fragen der jungen christlichen Gemeinde in Korinth. Verse aus diesem würden auch oft bei Trauungen verwendet, erzählt Westermann. Kein Wunder, der Text entspricht schon eher heutigen Vorstellungen von Liebe, stellt quasi eine Art Rezept für eine gelungene Partnerschaft dar. Der Langmut ist ein großes Thema, der Aspekt der Toleranz gegenüber den kleinen Macken der geliebten Person ruft zustimmendes Nicken hervor. Ist Gott nicht auch ungeheuer langmütig mit seinen Gläubigen? Die Hohelieder nicht nur ein Beispiel für die Liebe zwischen Mann und Frau, sondern gleichzeitig Gleichnis für die Liebe zwischen Gott und seinem auserwählten Volk oder zwischen Christus und seiner Kirche? Diese Sichtweise wird kontrovers diskutiert.

Liebe ist an vielen Stellen der Bibel ein bestimmendes Thema, am schönsten auf den Punkt gebracht findet man es aber in den beiden Hoheliedern, da sind sich die Besucher nach knapp zwei Stunden Textstudium sicher. Am Ende dieses kurzweiligen und doch sehr tiefsinnigen Gesprächsabends steht denn auch die Erkenntnis, dass die Liebe der Menschen und die Liebe Gottes nicht voneinander zu trennen sind.

Text: Dario Sellmeier

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