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„Seenotrettung ist kein Verbrechen“ - Vortrag über Flüchtlingshilfe und die internationale Bewegung „Seebrücke“

Im Rahmen der Vortragsreihe für Engagierte in der Flüchtlingsarbeit der Erwachsenenbildung des Evangelischen Kirchenkreises Tecklenburg berichtete Svenja Bloom über Fluchtursachen und das Engagement der Bewegung „Seebrücke“. Das Interesse an der Veranstaltung am 29. Oktober war groß. Trotz der coronabedingten Einschränkungen waren alle zur Verfügung stehenden Plätze im Pfarrheim der katholischen Kirchengemeinde St. Peter und Paul in Tecklenburg-Brochterbeck besetzt.

Rita Brinkmann vom Arbeitskreis Flüchtlingshilfe freute sich sehr darüber. „Es zeigt, dass die Themen Flucht und Seenotrettung weiterhin präsent und wichtig sind“, stellte die Integrationshelferin fest.

Svenja Bloom begann ihren Vortag mit einem Film über die humanitäre Aktion des Schiffes „Sea Watch 3“ im Mittelmeer. Unter Führung der deutschen Kapitänin Carola Rackete nahm das Rettungsschiff im Juni 2019 vor der Küste Libyens in Seenot geratene Flüchtlinge an Bord. Journalisten des NDR waren damals vor Ort und dokumentierten die Geschehnisse bis zur Verhaftung Racketes. Sie war ohne Genehmigung in den Hafen von Lampedusa eingefahren, da die Situation an Bord unerträglich geworden war. Die anfängliche Freude über die Rettung war in Verzweiflung über die von der italienischen Regierung geforderte Rückführung nach Libyen umgeschlagen.

Die Referentin ist als „Promotorin für Junges Engagement“ im „Eine Welt Netz NRW“ tätig und ehrenamtlich für die Lokalgruppe der „Seebrücke“ Münster aktiv. In der Präsentation machte sie deutlich, dass Seenotrettung kein Verbrechen ist. Die Zahl der von 2014 bis 2020 im Mittelmeer ertrunkenen Menschen wird auf 20.000 geschätzt, doch die Dunkelziffer ist hoch. Dass auch die Corona-Pandemie dafür herhalten müsse, sichere Fluchtwege zu verweigern, zeigten die Zäune, die derzeit um griechische Flüchtlingslager gezogen würden, erläuterte Bloom. Sie hatte eine sehr informative Analyse zusammengestellt, die anhand von Fakten, Fotos und Tabellen ein realistisches Bild von der aktuellen Situation der Seenotrettung zeichnete. Die Strategie der Europäischen Union bestehe aus Abschreckung, Zurückweisung, Zusammenarbeit mit Diktatoren oder aktivem Wegschauen, betonte sie.

Breiten Raum widmete die Aktivistin dem Kampf für die Entkriminalisierung der Seenotrettung. Sie stellte Möglichkeiten vor, um in Deutschland selbst aktiv zu werden. Durch die Mitarbeit in Organisationen wie Sea Watch oder dem Aktionsbündnis „United4 Rescue“, welches auch von der EKD unterstützt wird, könne viel Positives bewirkt werden. Seit 2018 besteht die internationale Bewegung „Seebrücke“. Deren Mitglieder aus unterschiedlichen Aktionsbündnissen der Zivilgesellschaft solidarisieren sich weltweit mit Menschen auf der Flucht. Die Kreissynode Tecklenburg hat sich in ihrer Sitzung im September diesen Jahres einstimmig für den Beitritt zum Bündnis „United4 Rescue“ ausgesprochen.

In Deutschland stellen sich 203 Städte, Kommunen oder Bundesländer als „Sichere Häfen“ gegen die Abschottungspolitik der EU, darunter 56 in Nordrhein-Westfalen. Sie erklären, dass sie über die offiziellen Zuweisungen weitere Geflüchtete aufnehmen können und wollen, sodass niemand ertrinken oder in Lagern festsitzen müsste (Informationen unter https://seebruecke.org/). Es sei nicht leicht, Politiker von der Notwendigkeit zu überzeugen, wie Beispiele aus Münster und Ibbenbüren bewiesen, doch der Einsatz lohne sich, berichtete die Referentin.

Mehrere Teilnehmer diskutierten über die konkreten Auswirkungen dieser Menschenrechts-Initiative. Vorerst handele es sich nur um einen symbolischen Akt, einige Kommunen blockten dennoch aus Angst vor eventuellen Folgen ab. Befürchtet würde das Abwandern konservativer Wählerschichten zur AfD oder die Verschärfung des Wohnraummangels, hieß es aus dem Publikum. Es fehle vor allem an Ehrenamtlichen und Sozialarbeitern, die den Geflüchteten zur Seite stünden, bedauerte Eugen Chrost, Vorsitzender des Vereins "Flüchtlings- und Integrationshilfe Tecklenburg". Positive Anregungen und Vorbilder sollten mehr in den Mittelpunkt gerückt werden, um die Motivation zur aktiven Mithilfe zu stärken, war ein weiterer Wunsch aus der Zuhörerschaft.

Pfarrerin Adelheid Zühlsdorf-Maeder wies darauf hin, dass aufgrund der neuen Corona-Bestimmungen die nächste Veranstaltung der Fortbildungsreihe am 12. November in Westerkappeln ausfallen muss.

Text: Brigitte Striehn

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