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Viola Langenberger unterstützt Gemeinden bei der Erarbeitung von Schutzkonzepten gegen sexualisierte Gewalt

Der Kirchenkreis Tecklenburg will ein Schutzort sein, in erster Linie für diejenigen, die besonders schutzbedürftig sind. „Aus dem christlichen Menschenbild erwachsen die Verantwortung und der Auftrag, Menschen im Wirkungskreis der Kirche, insbesondere Kinder, Jugendliche und erwachsene Schutzbefohlene, mit Respekt zu behandeln und ihre Würde zu schützen“, heißt es in der Selbstverpflichtungserklärung des Kirchenkreises Tecklenburg zum Schutz vor sexuellem Missbrauch.

Viola Langenberger ist vielen als langjährige Jugendreferentin aus Lengerich bekannt. Seit dem 1. Januar 2022 ist die Sozialpädagogin als Präventionsfachkraft im Bereich Sexualisierte Gewalt für die Kirchenkreise Münster und Tecklenburg tätig, um die Gemeinden bei der Erarbeitung von Schutzkonzepten zu unterstützen. Im Kirchenkreis Tecklenburg arbeitet sie dabei eng mit Ingrid Klammann zusammen, die als ausgebildete Multiplikatorin Ansprechpartnerin für die Durchführung von Präventionsschulungen ist. Öffentlichkeitsreferentin Christine Fernkorn interviewte sie:

Aus welchen Gründen haben Sie sich für diese neue Aufgabe entschieden?

Für viele Kinder und Jugendliche in unserer Gesellschaft ist sexualisierte Gewalt trauriger Alltag.  Seriöse Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland in jeder Schulklasse ein bis zwei Schüler*innen sexueller Gewalt ausgesetzt sind oder waren. Schlimmer noch: Auch in unserer Kirche, und eben nicht nur in der katholischen, sind inzwischen hunderte Fälle bekannt, in denen Kirche selbst zum Tatort geworden ist. Wobei jeder sogenannte „Fall“ bedeutet, dass hier einem Menschen schwerstes Leid zugefügt wurde.

Im letzten Jahr ist in unserer westfälischen Landeskirche das „Kirchengesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt“ in Kraft getreten. Seitdem sind alle Mitarbeitenden, sobald sie mit schutzbedürftigen Menschen zu tun haben, verpflichtet, erweiterte Führungszeugnisse vorzulegen und an Präventionsschulungen teilzunehmen, und zwar egal, ob haupt- oder ehrenamtlich. Dazu müssen in allen Kirchengemeinden und Einrichtungen Schutzkonzepte erarbeitet werden. All das sind wichtige Bausteine einer „Kultur der Achtsamkeit und des Hinschauens“, der das neue Kirchengesetz verpflichtet ist. Es war für mich stimmig, mein Wissen und meine Erfahrung aus vielen Jahren gemeindepädagogischer Arbeit in diesen Prozess einzubringen.

Was reizt Sie an dieser Aufgabe besonders?

Nicht nur in jeder Schulklasse, sondern auch in jeder Kirchengemeinde leben Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die sexualisierte Gewalt erleiden müssen oder mussten – oft über Jahre hinweg. Sie sind auf vertrauenswürdige Ansprechpersonen angewiesen, die im Zweifelsfall wissen, was zu tun ist. Präzise und gut durchdachte Schutzkonzepte können dafür die nötige Handlungssicherheit vermitteln – umgekehrt aber auch vor falschem Verdacht schützen. Mit meiner Arbeit kann ich die Gemeinden dabei unterstützen, solche Konzepte abgestimmt auf ihre jeweilige Situation vor Ort zu entwickeln.   

Was waren die ersten Schritte in Ihrem neuen Arbeitsfeld?

Das war in Münster und Tecklenburg ganz unterschiedlich. Im Kirchenkreis Tecklenburg hat Pfarrerin Dr. Britta Jüngst im letzten Jahr fast alle Gemeinden persönlich besucht und über die Inhalte und Absichten des neuen Kirchengesetzes informiert. Darüber hinaus hat die Arbeitsgruppe Sexualisierte Gewalt Bausteine für ein synodales Schutzkonzept zusammengetragen, auf die die Gemeinden zurückgreifen können. Als erste im Kirchenkreis hat die Kirchengemeinde Rheine-Johannes ihr Schutzkonzept bereits entwickelt und beschlossen. Pfarrer Dr. Dirk Schinkel, Ingrid Klammann und ich haben dazu gemeinsam einen Themenschwerpunkt in der Pfarrkonferenz gestaltet.

Im Kirchenkreis Münster biete ich aktuell eine Reihe digitaler Einführungsveranstaltungen in das neue Kirchengesetz an, die erfreulicherweise gut nachgefragt werden. In mehreren Gemeinden bilden sich jetzt Projektgruppen, um mit der Arbeit an den Schutzkonzepten zu beginnen. Hier bin ich je nach Bedarf unterschiedlich eingebunden. Auch die gemeinsame Verwaltung hat bereits damit begonnen, ein Schutzkonzept für das Ev. Kreiskirchenamt Münsterland/Tecklenburger Land zu erstellen. Diesen Prozess begleite ich ebenfalls.

Gehen Sie von sich aus auf die Gemeinden zu oder kommen die Gemeinden auf Sie zu, wenn sie ein Schutzkonzept gegen sexualisierte Gewalt erstellen wollen?

Auch hier gilt wieder: So individuell wie die Gemeinden, so unterschiedlich werden auch die Schutzkonzepte sein – und so verschieden die Wege dorthin. Als nächste Schritte sind in beiden Kirchenkreisen Workshops zu einzelnen Bausteinen geplant, etwa zur Risikoanalyse oder zu Beschwerdeverfahren. Dabei bekommen die Projektgruppen Informationen, Methoden und Materialien an die Hand, die sie für ihre Arbeit nutzen können. Auf Wunsch besuche ich die Gemeinden aber auch vor Ort, um das weitere Vorgehen individuell zu planen. 

Wo sehen Sie Herausforderungen?

Schutzkonzepte allein können sexualisierte Gewalt nicht wirksam verhindern. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, sie im täglichen Miteinander zu leben. Denn am Ende sind es nicht Konzepte, die vorbeugend wirken, sondern Menschen.

Insofern sind die Verantwortlichen in den Gemeinden gefordert, sich aktiv mit sexualisierter Gewalt auseinanderzusetzen und dabei vor allem die Bedingungen in den Blick zu nehmen, die Tätern und Täterinnen in die Hände spielen. Denn wo fehlende Aufmerksamkeit und ein unsensibler Umgang mit persönlichen Grenzen -eigenen und denen anderer- den Umgang miteinander bestimmen, wird unbeabsichtigt ein Umfeld geschaffen, das Täter und Täterinnen anzieht und es ihnen leicht macht. Das zu erkennen, kann erschreckend sein - aber eben auch dazu beitragen, eine Haltung zu entwickeln, die von mehr Wertschätzung und Interesse an dem, was der/die andere eigentlich tut, geprägt ist. Dadurch wird gleichzeitig nach innen und außen signalisiert: Bei uns ist kein Raum für Missbrauch. Genau das ist mit der „Kultur der Achtsamkeit und des Hinschauens“ gemeint.

Ein sorgfältig ausgearbeitetes Schutzkonzept, dazu Verantwortliche, die das Thema zu ihrer Sache machen – so kann jede Gemeinde zu einem Schutz- und Kompetenzort werden. In den Kirchenkreisen Münster und Tecklenburg sind die Gemeinden nach meiner Einschätzung vielerorts bereits auf einem guten Weg. Jetzt geht es darum, die nächsten Schritte zielstrebig anzugehen.

 

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Erstellungsdatum: 15.03.2022